Türkei:Erdoğan: "Deniz Yücel ist ein deutscher Agent"

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  • Bei einer Preisverleihung äußert sich Erdoğan erstmals selbst zum Fall Deniz Yücel.
  • Er bezeichnet den in der Türkei inhaftierten Welt-Korrespondenten als "deutschen Agenten" und "Vertreter der PKK".
  • Das Auswärtige Amt wies die Vorwürfe aus der Türkei umgehend zurück.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat dem inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel "Spionage" vorgeworfen, berichtet die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Yücel sei ein kurdischer Aktivist und "deutscher Agent", wird eine Rede von Erdoğan vom Freitag in Istanbul zitiert. "Als ein Vertreter der PKK, als ein deutscher Agent hat sich diese Person einen Monat lang im deutschen Konsulat versteckt."

Er habe Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Yücels Festnahme gesagt: "Wenn wir die Terroristen von euch wollen, was sagt Ihr uns da? Ihr sagt: 'Die Justiz ist unabhängig und unparteiisch.' Im Moment vertrauen wir unserer unabhängigen und unparteiischen Justiz. Gebt ihn uns und er soll vor Gericht. Zuerst haben sie ihn uns nicht übergeben. Aber später haben sie ihn uns irgendwie doch übergeben." Das Auswärtige Amt hat die Vorwürfe zurückgewiesen. "Das ist abwegig", sagte ein Sprecher der Behörde.

Pressefreiheit
:Yücel meldet sich aus dem Gefängnis: "Tageslicht! Richtiges Essen! Rauchen!"

In einem handschriftlichen Brief freut sich der Journalist über eine Verbesserung seiner Haftbedingungen in der Türkei. Er dankt allen, die sich für seine Freilassung einsetzen.

Yücel meldete sich freiwillig bei der Justiz

Der Fall des in der Türkei einsitzenden Welt-Korrespondenten hat in den vergangenen Tagen für erhebliche Spannungen zwischen Ankara und Berlin gesorgt. Der Journalist, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte sich im vergangenen Monat in einem Polizeipräsidium in Istanbul gemeldet, weil nach ihm gefahndet wurde. Dort wurde er festgehalten und nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft genommen. Inzwischen sitzt Yücel im Gefängnis in Silivri westlich von Istanbul ein.

Der Vorwurf lautet auf Terrorpropaganda und Volksverhetzung und gründet sich offenbar auf Yücels Berichte über kompromittierende E-Mails des Schwiegersohns von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und andere journalistische Aktivitäten. Bundeskanzlerin Merkel und zahlreiche weitere Politiker aus dem In- und Ausland fordern Yücels Freilassung.

Als Reaktion wurden in mehreren Städten Wahlkampfauftritte von türkischen Politikern abgesagt, die für das von Erdoğan angestrebte Präsidialsystem werben wollten, wie etwa dem Justizminister Bekir Bozdağ. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schrieb in einem Brief an seinen türkischen Kollegen: Die Entscheidung, Yücel in Untersuchungshaft zu nehmen, habe ihn erschüttert. " Den Umgang mit Herrn Yücel halte ich für unverhältnismäßig".

Der türkische Präsident kritisierte die Absagen der geplanten Wahlkampfauftritte scharf. Über die Verantwortlichen sagte er: "Man sollte sie wegen Beihilfe zum Terrorismus verklagen."

© SZ.de/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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