Proteste in Thailand:Bangkok versinkt im Chaos

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Aggressivität und die Gewalt nehmen (Foto: REUTERS)

Wasserwerfer und Tränengas gegen Steine und Molotow-Cocktails: Wo noch vor wenigen Tagen Volksfeststimmung herrschte, schlagen die Massenproteste gegen Thailands Regierung zunehmend in Aggressivität und Gewalt um.

Von Arne Perras, Bangkok

Nachmittags um halb vier fährt der Mob schweres Gerät auf. Tags zuvor war der Sturm auf den thailändischen Regierungssitz gescheitert, jetzt soll ein Bulldozer die Barrikade an der Ratchadamnoen Nok Road auf die Seite räumen. Der Kampf um die Macht in Bangkok wird am neunten Tag der Massenproteste mit noch größerer Härte geführt als zuvor.

An einer Absperrung wird ein Fotograf der thailändischen Daily News angeschossen, Sicherheitskräfte erklären, dass sie nun neben Wasserwerfern und Tränengas auch Gummigeschosse einsetzten, um den Mob zurückzudrängen. Etwas später geben Ärzte einer örtlichen Krankenhauses bekannt, dass einer der Belagerer von einer Kugel in den Rücken getroffen wurde, er liege im Koma und wird womöglich nicht mehr laufen können. Wer die Kugel abgefeuert hat, bleibt zunächst unklar.

Von der Volksfeststimmung, die in den Tagen zuvor immer noch mancherorts spürbar war, ist auf Bangkoks Straßen nichts geblieben. Die Polizei setzt immer häufiger Tränengas ein, um die Belagerer in Schach zu halten. Nun sind viele junge vermummte Männer zu sehen, die Eisenstangen und Steine auf ihre Gegner schleudern. Molotow-Cocktails fliegen. Die Aggressivität und die Gewalt nehmen zu. Ein Reporter der Agentur Reuters berichtet von einem jungen Mann, der drei Schüsse aus einer Pistole auf die Polizei abfeuert. Das hat es zuvor nicht gegeben in diesem Kampf um die Macht in Bangkok.

Der frühere Vize-Premier Suthep Thaugsuban, der die Demonstranten anführt, hatte schon am Sonntag den "Tag des Volkssieges" ausgerufen. Etwas vorschnell, denn der Triumph am Victory Day ist ausgeblieben. Auch von einem Generalstreik, den Suthep verkündet hat, ist am Montag in Bangkok nichts zu sehen, die meisten Menschen fahren zur Arbeit, auch wenn Tausende weiterhin den Umsturz der Regierung proben.

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:Thailands Polizei fahndet nach Protestführer

Inmitten der Unruhen stellt die Polizei einen Haftbefehl wegen "Aufruhrs" aus: Thailands Oppositionsführer Suthep Thaugsuban droht lebenslange Haft oder gar die Todesstrafe. Dessen Ultimatum lehnt die Regierung als verfassungswidrig ab.

Viele Touristen bevölkern noch immer die Stadt, sie bleiben meist nur ein oder zwei Tage, bevor sie weiter an die Strände reisen. Ein älteres dänisches Ehepaar, das in einem Café sitzt, ist allerdings froh, wenn sie nun schnell ans Meer kommen. "Wir wollen uns erholen und keine Demonstrationen mit Tränengaswolken besichtigen." Allerdings gibt es auch das: Auch manche Touristen zieht es in die Nähe des Regierungssitzes, sie mischen sich unter die Massen und wollen miterleben, wie Bangkok bebt.

"Diese Regierung muss weg"

Zum Beispiel Surachat Phongsuphat, der aus dem Süden Thailands nach Bangkok gefahren ist, um zu protestieren. Seit einer Woche ist der Sportlehrer schon hier, er hat dafür Urlaub genommen. Er sagt, seine Schule sei ohnehin geschlossen. Um den Hals hat der 58-Jährige eine Kette mit einem weißen Buddha hängen. "Diese Regierung muss weg", brüllt er, um den ohrenbetäubenden Lärm der Trillerpfeifen zu übertönen. "Eine Demokratie, in der die Korruption regiert, wollen wir nicht." Die Regierung kümmere sich nur um ihre Günstlinge, die anderen Menschen würden sie gar nicht interessieren, sagt der Lehrer. Und wie soll es weitergehen, wenn Shinawatra gestürzt ist? Darüber will er jetzt nicht reden, er müsse erst einmal helfen, das Polizeihauptquartier zu stürmen. Er möchte es noch miterleben, dass die Belagerer die Barrikaden durchbrechen.

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:"Es gibt keine Fähigkeit zum Kompromiss"

Tränengas wabert durch die Straßen, die Polizei schießt auf Demonstranten: Auch am Montag ist die Lage in Thailands Hauptstadt Bangkok unübersichtlich. SZ-Korrespondent Arne Perras ist in Bangkok und schildert seine Eindrücke.

Protokoll: Michael König

Die Premierministerin Yingluck Shinawatra findet an diesem Nachmittag Zuflucht in einer der Polizeizentralen, doch sie will nicht zurücktreten. Sie nennt die Forderungen verfassungswidrig und bietet stattdessen erneut Gespräche an. Doch ihre Worte stoßen auf taube Ohren bei den Belagerern. Suthep hat ein zweitägiges Ultimatum an sie gestellt, er möchte, dass sein Umsturz noch vor dem Geburtstag des Königs am Donnerstag gelingt. Dann wird das Chaos in Thailand zumindest einen Tag lang pausieren, weil diese Feierlichkeiten von niemandem gestört werden sollen. Die Monarchie ist unantastbar.

Am späteren Nachmittag ziehen die Belagerer den Bulldozer wieder zurück. Sie haben es nicht geschafft, die Barrikade ganz zu durchbrechen. Doch das scheint den Demonstranten-Anführer Suthep nicht zu entmutigen. Für Dienstag kündigt er den Sturm auf das Polizeihauptquartier an. Am Abend ziehen sich viele von den Barrikaden zurück. Kraft tanken für die nächste Attacke.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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