Terrorgefahr in Deutschland:Behörden förderten Ausreise von Islamisten

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  • Ausreisen lassen, um die deutsche Bevölkerung zu schützen - nach einem Bericht des WDR-Magazins war das bis vor einem Jahr gängige Praxis im Umgang mit gewaltbereiten Islamisten.
  • Ein vertrauliches Papier regelte Ein- und Ausreise gewaltbereiter Radikaler.
  • Derzeit ist eine Verschärfung der Maßnahmen im Gespräch, um sowohl die Ein- als auch die Ausreise von potenziellen IS-Sympathisanten zu verhindern.

Ausreise von Islamisten zum "Schutz der Bevölkerung"

Sicherheitsbehörden haben nach Angaben des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) jahrelang die Ausreise gewaltbereiter Islamisten aus Deutschland gebilligt oder sogar unterstützt. Damit könnten zahlreiche aus Deutschland kommende Sympathisanten der radikalen Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) mit Wissen deutscher Behörden nach Syrien ausgereist sein. Grundgedanke dabei sei der "Schutz unserer Bevölkerung" gewesen, sagte der Leiter der Abteilung polizeilicher Staatsschutz und Terrorismusbekämpfung des LKA, Ludwig Schierghofer, dem WDR-Magazin Monitor.

Die Überlegung sei gewesen, "Personen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie Anschläge begehen werden, außer Landes zu bringen", sagte der Beamte. "Wenn sich jemand radikalisiert hatte und ausreisen wollte, dann hat man versucht, ihn auch ausreisen zu lassen oder auch durch ausländerrechtliche Maßnahmen die Ausreise auch noch zu beschleunigen."

Großteil reiste nach Einzelfallprüfung aus

Schierghofer bezieht sich dabei auf ein vertrauliches Papier des Bundesinnenministeriums vom Mai 2009, das die "Verfahren und Maßnahmen bei der Aus- und Einreise von gewaltbereiten Islamisten" regelt. Das Papier habe sowohl die Möglichkeit eröffnet, die Ausreise dieses Personenkreises aus Deutschland zu verhindern als auch zuzulassen. Bei der Prüfung der Einzelfälle habe dies allerdings dazu geführt, dass ein großer Teil der gewaltbereiten Islamisten aus Deutschland ausreisen konnte.

Strengere Kontrollen erst seit einem Jahr

Das Bundesinnenministerium erklärte in einer Stellungnahme an Monitor: "Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder nutzen alle rechtlichen Möglichkeiten, um die Ausreise von Personen zu unterbinden, die sich in Krisenregionen an terroristischen Gewalttaten beteiligen wollen." Nach Aussage von LKA-Staatsschutz-Chef Schierghofer gilt diese restriktive Praxis allerdings erst seit Herbst 2013. Das Bundesinnenministerium habe seine Haltung erst unter dem Eindruck der jüngeren Entwicklungen in Syrien und im Irak geändert.

Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) übt scharfe Kritik an dieser Praxis: "Das ist ja einigermaßen zynisch, zu sagen, die Gewaltbereiten sollen möglichst nicht in unserem Land Gewalt ausüben, wenn sie das schon tun wollen, sollen sie ausreisen. Man verlagert das Problem in andere Länder."

Debatte um Markierung in Ausweisen von Islamisten

Derzeit diskutieren deutsche Sicherheitsbehörden über Möglichkeiten, die Ausreise gewaltbereiter Islamisten etwa nach Syrien oder den Irak zu verhindern und den Druck auf Sympathisanten zu erhöhen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lädt zu einer Sonderkonferenz der Innenminister. Im Gespräch ist dabei auch die Markierung von Ausweisen, um bei der Ein- oder Ausreise auf mögliche islamistische Kämpfer aufmerksam zu werden. Rechtlich ist das allerdings derzeit nicht möglich.

Auch der Entzug des Reisepasses oder der deutschen Staatsbürgerschaft für solche, die eine doppelte Staatsangehörigkeit haben, kommt de Maizière zufolge in Betracht. "Wir wollen nicht, dass aus Deutschland, aus Europa Menschen auf der Seite von IS gegen Kurden, gegen Jesiden kämpfen", sagte der Minister im ZDF-Morgenmagazin. "Wir wollen keinen Export an Kämpfern aus Deutschland". Die deutschen Behörden gehen davon aus, dass bisher etwa 450 Extremisten aus Deutschland in Richtung Kriegsgebiet ausgereist sind.

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