Tag der offenen Tür:Der Bundesnachrichtendienst lädt ein - und schweigt

18. Tag der offenen Tür der Bundesregierung - BND

Zahlreiche Besucher kamen zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Auch der Bundesnachrichtendienst beteiligte sich heuer an ihm.

(Foto: dpa)

Am "Tag der offenen Tür" der Bundesregierung beteiligt sich heuer auch der BND. Wobei: Beteiligen ist wohl der falsche Ausdruck. Besucher dürfen entlang der Fassade spazieren gehen - und über so manche Antwort der Mitarbeiter staunen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Keine Fotos, klar, schon gar nicht von Mitarbeitern. Und auch wenn es in den Fingern juckt, erst recht nicht von der Gas-Ultrazentrifuge, die da so unschuldig auf dem Boden liegt. Der Pressesprecher wird ernst. Wer doch Fotos davon macht, nun ja, "dann werde ich vom Hausrecht Gebrauch machen müssen".

Rauswurf heißt das wohl. Ist nämlich ein Original, die Zentrifuge. Also wohl original geklaut vom Bundesnachrichtendienst, dem deutschen Auslandsgeheimdienst. Irgendwo in Iran vielleicht. Da war sie vielleicht auch im Betrieb, um Uran anzureichern, um atomwaffenfähiges Uran herzustellen. Aber das würde hier und heute in der Logistikhalle des BND in Berlin niemand bestätigen oder dementieren.

Es ist "Tag der offenen Tür" im BND, oder besser, "Tag der offenen Tür der Bundesregierung". Alle Ministerien und das Bundeskanzleramt öffnen an diesem Wochenende ihre Türen für die Bürger. Der BND beteiligt sich zum ersten Mal daran. Und - die Mitarbeiter vor Ort werden nicht müde, es zu betonen - wohl auch zum letzten Mal.

Nun, Tag der "offenen Tür", der Begriff führt ein wenig in die Irre. Offen nämlich ist hier gar nichts. Die Besucher werden durch den Nordeingang kurz durch eine Sicherheitsschleuse geführt und dann in den Logistik-Hof. Da also, wo bald der Müll von 4000 Mitarbeitern sicherheitstechnisch einwandfrei entsorgt wird. Und wo angeliefertes Druckerpapier und Schreibstifte erst geröntgt werden, bevor sie auf der 35 Fußballfelder großen Bürofläche mit ihren 3500 Büro verteilt werden.

Wird aber alles nicht gezeigt. Stattdessen ein paar Infostände zur Arbeit und ein bisschen zu Geschichte des BND. Wer will, kann einen graublauen Post-it-Notizblock mitnehmen, auf dem oben links "Bundesnachrichtendienst " steht.

Danach geht es auf den Rundgang. Das Wort ist sehr wörtlich zu nehmen. Es geht auf der Feuerwehrstraße einmal außenrum um das 200 Meter lange und 180 Meter breite Zentralgebäude. Zu sehen gibt es also nur die Außenfassade. Aus sicherheitstechnischen Gründen. Außerdem sei das Zentralgebäude innen eine einzige Baustelle. Das gehe schon versicherungstechnisch nicht, da Besuchergruppen durchzuführen. Die Feuerwehrstraße aber sei doch auch ganz nett. Da dürfe übrigens bald auch keiner mehr spazieren gehen. Auch aus Sicherheitsgründen natürlich. Ist also echt eine einmalige Chance heute.

Immerhin: Jede Besuchergruppe bekommt einen echten Mitarbeiter des BND zu sehen, der die Gruppe führt. Der allerdings darf offenkundig auch nicht mehr sagen, als auf Wikipedia über den BND zu finden ist. Sogar noch weniger. Eine Besucherin fragt, ob hier auch Asylbewerber etwa aus Syrien vom BND befragt werden. "Wir befragen keine Asylbewerber", sagt die junge Dame. Nun: doch. Zumindest von 1958 bis 2013 betrieb der Bundesnachrichtendienst eine als "Hauptstelle für Befragungswesen (HBW)" getarnte Organisation, die Migranten gezielt aus den Asyl-Verfahren herauspickte, um von ihnen mehr über ihr Heimatland zu erfahren. Aber gut, das muss nicht jeder BND-Mitarbeiter wissen.

Hier und heute gibt es im Grunde nur Auskunft über Größe, Umfang und Kosten der neuen BND-Zentrale. Nur, bitte, keine Details. "Wie viele Aufzüge gibt es?", will einer wissen, keine 30 Jahre alt, Kreuz auf dem Oberarm tätowiert. Antwort: "Wir haben Aufzüge, wahrscheinlich zu wenige." Dafür gibt es ein paar Lacher.

Ein Mitglied des PKGR hätte lauthals gelacht

Und wie werden die Mitarbeiter im Haus verteilt? Nach Länderregionen vielleicht, fragt ein hochgewachsener Mann, weißer Strohhut, weißes T-Shirt, weiße Shorts und weiße Tennissocken in hellbeigen Sportsandalen. "Dazu fragen Sie doch bitte die Pressestelle", ist die Antwort. Der Mann nickt wissend, als hätte er gerade versehentlich nach einem Staatsgeheimnis gefragt.

Seit einigen Jahren will sich der BND als dialogbereit und transparent in der Öffentlichkeit präsentieren. Im BND gibt es zwar schon seit den 80er Jahren einen Pressesprecher. Aber das spielte bis vor wenigen Jahren kaum eine Rolle. Der durfte gerade mal bestätigen, dass es den BND gibt. Das hat sich spätestens mit der NSA-Affäre geändert. Zu viele offene Fragen standen plötzlich im Raum. Ganz oben etwa die, ob der BND zusammen mit dem US-Geheimdienst NSA Deutsche ausgespäht und sich immer an Recht und Gesetz gehalten hat.

Die Diskussionen darüber scheinen nicht überall im BND angekommen zu sein. Die BND-Dame jedenfalls, die die Besuchergruppe führt, erklärt: Wenn der BND sich im Ausland Informationen beschaffe und dafür einzelne Leute abhöre, "dann dürfen wir das". Sie sagt das, als gebe es daran nicht den geringsten Zweifel. Dass der BND auch Deutsche im Ausland abgehört hat und das mit fragwürdigen Rechtskonstruktionen rechtfertigte, weil er das nämlich eigentlich überhaupt nicht darf, steht nicht auf ihrem Zettel.

Einmal kommt die Frage nach der Kontrolle auf. Antwort: "Wir werden parlamentarisch kontrolliert. Und alles, was relevant ist, geben wir dann auch raus. Ist ja klar." Wäre jetzt ein Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGR) dabei, es müsste lauthals lachen. Wenn der PKGR mal etwas Relevantes aus dem BND erfährt, dann oft erst aus der Presse.

Silbergraues Haar, locker auf Scheitel gekämmt, Fliegersonnenbrille mit Goldrand, hellbaues Hemd, die Ärmel lässig hochgekrempelt. Beige Chinohose, dazu helle Ledermokassins, in denen sockenlos braungebrannte Füße stecken. Sich Michael W. als eine Art James Bond unter Palmen vorzustellen, fällt nicht schwer. Er will das Klischee aber auf keinen Fall bedienen.

Michael W. arbeitet jetzt in der Pressestelle des BND. Er war ein Vierteljahrhundert im operativen Einsatz. Auch im Ausland. Wo, darf er nicht sagen. Aber zehn verschiedene Identitäten hat er schon gehabt. Ein gestandener Spion also. Auch wenn er das Wort nicht gerne hört. Seinen Nachnamen muss keiner kennen. Aber Michael stimmt. Das W. auch. Soviel Offenheit darf sein.

Die Palmen? Keine Abhörtechnik, nur Kunst am Bau

"Wir wollen den Dialog, auch wegen dem falschen Bild, das es in der Öffentlichkeit manchmal gibt", sagt Michael W. Wir stehen gerade vor den 22 Meter hohen Kunst-Palmen, die die rückwärtige Terrasse des BND schmücken. Welches falsche Bild? "Na ja, dass wir die Schlapphüte seien oder eine Inlandskompetenz hätten." Beides stimme nicht.

Der BND ist eine Behörde, sagt er. Ein Informationsdienstleister, mehr eben nicht. Und die Mitarbeiter seien gesetzestreue Bürger wie jeder andere. Er schaut zu den Palmen rauf. "Manche glauben, dass wir in den Palmen Abhörtechnik versteckt hätten." Stimmt auch nicht. Ist nur Kunst am Bau.

Alles ganz normal also. Aber hat nicht die Bundesregierung dem BND komplett die Schuld in die Schuhe geschoben für die ganzen Salat mit den schlimmen Suchbegriffen, die der amerikanische Militärgeheimdienst NSA auf den Analyse-Rechnern des BND eingeschleust hatte?

Ja gut, Fehler passieren halt. Aber mehr kann er dazu natürlich nicht sagen. Und natürlich auch nicht zu der Frage, an wie vielen Orten in Deutschland der BND Datenleitungen anzapft, um angeblich nur ausländische Kommunikation abzugreifen. Was im digitalen Zeitalter nahezu unmöglich ist. Oder wie groß die Datenmengen sind, die im BND aus der Kabelerfassung zusammenlaufen. Da endet dann die Dialogbereitschaft des BND.

"Noch Fragen?", fragt Michel W.. Nun, keine, die er beantworten würde oder könnte. Dazu passt, dass am Tag der offenen Tür die Außenfassade das Einzige ist, was die Besucher vom BND zu sehen bekommen.

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