Energieversorgung:Berliner Strom-Volksentscheid scheitert knapp

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Am Ende fehlten nur 21.000 Ja-Stimmen: Beim Berliner Volksentscheid stimmten 24,1 Prozent der Wahlberechtigten für den Rückkauf der Netze und die Gründung eines Ökostrom-Werkes - nötig gewesen wären 25 Prozent. Entschieden ist damit aber noch nicht alles.

Der Volksentscheid für eine von Bürgern kontrollierte Stromversorgung in Berlin ist knapp gescheitert. Es fehlten nach dem vorläufigen Ergebnis am Sonntagabend 21.374 Ja-Stimmen. Insgesamt stimmten 24,1 Prozent der etwa 2,49 Millionen Wahlberechtigten mit Ja. Notwendig für einen Erfolg waren aber 25 Prozent.

Mit dem Gesetzentwurf des Berliner Energietisches sollte ein sozial ausgerichtetes Stadtwerk gegründet und das Stromnetz vom schwedischen Energieunternehmen Vattenfall zurückgekauft werden. In Hamburg war dagegen Ende September ein Volksentscheid für den Rückkauf der Strom- und Gasnetze erfolgreich.

Das Ergebnis des Volksentscheids stärkte die Position des rot-schwarzen Senats, der ein "Nein" zum Volksentscheid empfohlen hatte. Die Initiatoren des Volksentscheids wollten die Gründung einer landeseigenen Netzgesellschaft erreichen, die das privatisierte Stromnetz zurückkauft. Bislang gehört es einer Tochter des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall.

Wowereit sieht sich bestätigt

Mit dem Scheitern des Berliner Energietisches kommt der SPD-CDU-Senat zum Zuge, der ebenfalls ein Stadtwerk gründen will. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte nach den ersten Hochrechnungen, die Vorarbeiten zur Gründung eines Stadtwerks würden von den Berlinern anerkannt. Die breite öffentliche Debatte habe gezeigt, wie wichtig das Thema sei. "Das sollten wir alle als Rückenwind zur Umsetzung der Energiewende verstehen", sagte Wowereit.

In den Details gehen die Vorhaben von Regierung und Initiative auseinander. Der Senat lehnte den vom Energietisch vorgelegten Gesetzentwurf ab, weil darin die Finanzkontrolle durch das Parlament eingeschränkt wurde. Den Vorschlag des Berliner Abgeordnetenhauses eines neuen Stadtwerkes, das ausschließlich erneuerbare Energie produzieren und diese auf dem Berliner Markt vertreiben soll, hatte der Berliner Energietisch wiederum als unzureichend kritisiert.

Die Grünen werteten das Ergebnis mit 83 Prozent Zustimmung unter den Teilnehmern des Volksentscheids dennoch als Erfolg. Die absolut 599.565 Ja-Stimmen "sind mehr Stimmen als die SPD bei der letzten Abgeordnetenhauswahl hatte (413.000)", teilte Grünen-Chef Daniel Wesener mit. Den Senat forderte Wesener auf, ein Stadtwerk zu gründen, das auch seinen Namen verdient.

Stimmen aus der Wirtschaft erklärten dagegen, die Berliner hätten gegen eine Rekommunalisierung des Stromnetzes gestimmt. Die Vereinigung der Unternehmensverbände verlangte, das Land Berlin solle seine Bewerbung um das Berliner Stromnetz zurückziehen. "Aufgrund der unternehmerischen und finanziellen Risiken wollen die Berliner kein Engagement des Landes als Stromnetzbetreiber." Für 2015 wird ein neuer Bewerber für das Stromnetz gesucht, weil der Vertrag, den Vattenfall derzeit inne hat, ausläuft.

Die Initiatoren des gescheiterten Volksentscheides wollen sich weiter für eine soziale Energiepolitik in Berlin einsetzten. "Wir verschwinden nicht von der Bildfläche", sagte der Sprecher der Initiative, Stefan Taschner, am Sonntagabend in der RBB-Abendschau. Die Beteiligung an dem Volksentscheid habe gezeigt, dass das Thema vielen am Herzen liege. Über das Stromnetz in Berlin werden 3,4 Millionen Menschen versorgt. Die Verträge mit Vattenfall laufen Ende 2014 aus.

In Hamburg hatten sich am 22. September, dem Tag der Bundestagswahl, rund 51 Prozent der Bürger bei einem Volksentscheid dafür ausgesprochen, die Energienetze von den privaten Anbietern zurückzukaufen. Gegen den Willen des Senats sowie der Bürgerschaftsfraktionen von SPD, CDU und FDP stimmte dort eine Mehrheit für die vollständige Rekommunalisierung der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. Die Hamburger Entscheidung war umstritten.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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