Streit um Stromtrassen:Aus zwei mach eins

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Hat mit seinem jüngsten Vorstoß eine neue Alternative im Stromtrassen-Streit eingebracht: CSU-Chef Horst Seehofer (Foto: dpa)

Im Streit um den Verlauf der neuen Stromtrassen überlegt Bayerns Ministerpräsident Seehofer, aus zwei Trassen eine zu machen. Außerdem fordert er Zusagen für den Erhalt einzelner Reservekraftwerke im Freistaat - das ist knifflig.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Glaubt man Teilnehmern, dann ging es beim Treffen der Koalitionsspitzen ruhig und friedlich zu wie nur was. Allseits Zufriedenheit über den bisherigen Gang der Regierungsgeschäfte, allseits leichte Sorgen über die Entwicklung der Wirtschaft, große Eintracht beim Thema Digitalisierung. Gäbe es keine Stromleitungen, hätten die Spitzen von CDU, CSU und SPD flott Schluss machen können am Dienstagabend. "Beim Strom wurde die Sache lebhaft", sagt ein Teilnehmer.

Lebhaft vor allem wegen jüngster Vorstöße von CSU-Chef Horst Seehofer. Der hadert schon seit längerem mit einer Stromtrasse, die von Sachsen-Anhalt nach Bayern führen soll - und in Oberfranken und der Oberpfalz die Bürger auf die Barrikaden bringt. Zuletzt allerdings hatte er auch noch Zweifel an einer zweiten Trasse nach Bayern geweckt, Suedlink. Sie soll Strom 800 Kilometer weit von Nord nach Süd schaffen, Windstrom von der Küste käme so bis nach Baden-Württemberg, Bauherr Tennet bezeichnet sie als "Hauptschlagader der Energiewende".

Davon sind offenbar auch Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel überzeugt, beide redeten auf Seehofer ein - und erhielten, so berichten Teilnehmer, erstmals Einblick in die Überlegungen des CSU-Chefs. Seehofer will demnach zunächst noch einmal mit Bürgerinitiativen und Experten über die geplanten Trassen sprechen. Offenbar hat er aber auch eine denkbare Alternative in der Hinterhand.

Klitzekleine Abzweigung ins südliche Bayern

Danach würde aus den beiden umstrittenen Trassen eine. Die Süd-Ost-Trasse, die entlang der Autobahn A 9 in die Nähe von Augsburg hätte führen sollen, würde völlig wegfallen. Dafür aber erhielte die Suedlink-Route, die in die Nähe von Heilbronn führen soll, einen klitzekleinen Abzweig ins südliche Bayern. Und wenn zusätzlicher Strom aus Ostdeutschland Richtung Süden gelenkt werden müsse, dann ließe auch das sich über Suedlink bewerkstelligen, erfuhren die Anwesenden - dann aber durch eine entsprechende Zuleitung, etwa von Sachsen-Anhalt aus.

Käme Seehofer damit durch, hätte er einige Brandherde im Land weniger, und auch die Koalition hätte einen entschärft: Seehofer. Bayern hatte zwar seinerzeit nicht gegen das "Bedarfsplangesetz" gestimmt, das die Trasse von Ost nach Süd ausdrücklich vorsieht. Gleichwohl haben die Landesbehörden genügend Möglichkeiten, Trassenplanungen zu erschweren. An Seehofer vorbei geht nichts, auch bei Suedlink.

Gleichzeitig mehrten sich zuletzt Warnungen, der deutsche Strommarkt könne auseinanderbrechen, sollten nicht genügend Stromleitungen von Nord nach Süd führen. Weil dann der Windstrom nicht mehr nach Süden transportiert werden könne, herrsche immer öfter ein Überfluss an Strom im Norden, während er im Süden der Republik knapp werden könnte. Die Folge könnten unterschiedliche Preiszonen sein, mit höheren Preisen für Bayern. Käme Suedlink hingegen zustande, wäre diese Gefahr wohl gebannt.

Seehofer fordert offenbar Erhalt einzelner Reservekraftwerke

Offenbar will Seehofer diese Variante nun in den nächsten Monaten diskutieren, hieß es. Bis Februar werde es zunächst einen Dialog mit Betroffenen und Experten geben. Danach solle rasch über die Leitungsprojekte entschieden werden - und nicht nur über die. Dem Vernehmen nach fordert der CSU-Chef auch Zusagen für den Erhalt einzelner Reservekraftwerke in Bayern. Das wieder ist ein kniffliges Problem: Einerseits sind solche Kraftwerke als Puffer nötig, um Strom auch in Flautenzeiten bereitzustellen, andererseits kämpfen sie zunehmend um ihre Existenz: Angesichts steigender Mengen Ökostroms verdienen sie immer seltener Geld. Kritiker hingegen befürchten eine neue Subvention, sollten Kraftwerke künftig künstlich am Leben gehalten werden.

Auch Gabriel selbst hält bislang nicht viel davon. Er hat solche Regelungen schon als "Hartz IV" für Kraftwerke abgetan und lässt sich mit der Prüfung Zeit. An diesem Donnerstag kann der SPD-Chef und Energieminister das dem CSU-Chef noch einmal darlegen. Seehofer und Bayerns Wirtschaftsministern Ilse Aigner haben sich bei ihm angesagt - zur Klärung von Netzfragen.

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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