Störfälle im AKW:Steinmeier fordert endgültiges Aus für Krümmel

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SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier hat sich für die endgültige Abschaltung des Atomkraftwerks Krümmel ausgesprochen - dies sei ein "Gebot der Vernunft".

Nach den jüngsten Pannen im Atomkraftwerk Krümmel verlangt die SPD-Führung die endgültige Stilllegung des Reaktors. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte am Donnerstag, der Betreiberkonzern Vattenfall habe die "Bewährungsprobe", die ihm nach der Störfallserie vor zwei Jahren eingeräumt worden sei, nicht genutzt.

"Die wiederholten Pannen in Krümmel haben das Vertrauen vieler Menschen in die Atomenergie weiter erschüttert": Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (Foto: Foto: AP)

Die endgültige Schließung sei deshalb ein Gebot der Vernunft für die betroffenen Bürger, aber auch für das Ansehen des Unternehmens in Deutschland. "Die wiederholten Pannen in Krümmel haben das Vertrauen vieler Menschen in die Atomenergie weiter erschüttert", sagte der Außenminister. Ähnlich äußerte sich Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Vattenfall wies die Forderung zurück.

In Krümmel war es nach Angaben des schwedischen Konzerns noch vor dem Trafo-Kurzschluss vom vorigen Wochenende auch zu Schäden im Reaktor selbst gekommen. Der zuständige Geschäftsführer Ernst Michael Zülfe sagte, mindestens einer, vielleicht aber auch mehrere der 80.000 Brennstäbe seien defekt. Schon an diesem Freitag wolle man den Reaktordeckel öffnen, um nach Schäden zu suchen. Zugleich werde das gesamte Wasserfiltersystem überprüft, da die Vermutung bestehe, dass die Probleme auf Verunreinigungen im Kühlwasser zurückzuführen seien.

Sonderermittler eingesetzt

Der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka, entschuldigte sich für die Pannen und kündigte eine komplette Untersuchung "aller technischen und organisatorischen Abläufe" an. Dafür sei eigens ein interner Sonderermittler eingesetzt worden. Er, Hatakka, bürge mit seinem "guten Namen" für eine restlose Aufklärung der Vorfälle. Der Top-Manager betonte zugleich, dass der Reaktor nach Abschluss der Überprüfungen in einigen Monaten wieder ans Netz gehen solle.

Eine Stilllegung des Meilers komme nicht in Frage, schließlich seien die Bevölkerung und die Umwelt zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Hatakka verteidigte auch die Entscheidung von Konzernchef Lars Göran Josefsson, in Schweden zu bleiben. "Hier in Deutschland sind wir verantwortlich", betonte er. "Aber Lars ist informiert." Josefsson steht auch daheim wegen schwerwiegender Sicherheitsmängel in Atomkraftwerken unter Druck.

Umweltminister Gabriel forderte Vattenfall auf, Krümmel "von sich aus" stillzulegen. Sollte dies nicht geschehen, müsse in der nächsten Legislaturperiode das Atomgesetz mit dem Ziel geändert werden, dass die acht störanfälligsten Meiler früher vom Netz gehen, jüngere dagegen länger laufen dürfen.

Gabriel äußerte sich am Rande eines Besuchs des Unglücksreaktors in Tschernobyl. Steinmeier sagte der Deutschen Presse-Agentur, wer wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) Krümmel trotz wiederholter Pannen als Kraftwerk mit Zukunft bezeichne, scheide als ernstzunehmender Politiker aus.

"Energiepolitische Steinzeit"

Mit Oettingers Vorschlag für unbegrenzte Laufzeiten von Atommeilern solle Deutschland in die "energiepolitische Steinzeit" zurückgeworfen werden. Dies gelte auch für CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der die Atomkraft als "Öko-Energie des 21. Jahrhunderts" bezeichnet habe. Alle Vorkehrungen hätten nicht verhindert, dass es immer wieder zu Störfällen in solchen Anlagen komme.

Steinmeier kritisierte, die Union breche mit ihrer "Pro-Atom-Politik" einen Konflikt in der Gesellschaft auf, den die SPD vor Jahren befriedet habe. Mit dem Atomkonsens sei ein klarer Fahrplan für den Ausstieg vereinbart worden. Dieser Weg müsse unumkehrbar bleiben.

Vorhaltungen kamen auch von der Linkspartei. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagte, unzuverlässige Meiler müssten ohne Wenn und Aber vom Netz genommen werden. "Es zeigt einmal mehr deutlich: Wer alte und abgeschriebene AKW weiterbetreibt, um - einem Goldesel gleich - die Gewinne einzustreichen, spielt mit dem Leben und der Gesundheit von Menschen", kritisierte er.

Scharfe Kritik an den Kernkraftgegnern, insbesondere an Gabriel, übte der aus der SPD ausgetretene frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. Gabriel betreibe eine "geradezu demagogische Kampagne gegen die Kernenergie", sagte Clement zu sueddeutsche.de. Die Behauptung des Umweltministeriums, ältere Meiler seien auch technisch veraltet, zweifle er an.

© SZ vom 10.7.2009/hul/miba/stuhl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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