Statistik von Amnesty International:Mehr Hinrichtungen in weniger Ländern

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Minderjährige Delinquenten in Iran und Saudi-Arabien, Schauprozesse in Weißrussland: Im vergangenen Jahr wurden laut Amnesty International mindestens 676 Menschen hingerichtet - deutlich mehr als im Vorjahr. Dabei fehlt in der Statistik das Land mit den mutmaßlich meisten Hinrichtungen. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.

Obwohl immer weniger Staaten die Todesstrafe vollstrecken, ist die Zahl der Hinrichtungen im vergangenen Jahr gestiegen. China ausgenommen wurden 2011 der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge mindestens 676 Menschen hingerichtet - 149 mehr als im Vorjahr.

Vor allem in Iran, Irak und Saudi-Arabien nahm demnach die Zahl der Exekutionen zu. Der starke Anstieg der Hinrichtungen ist nach Angaben des Amnesty-Experten Oliver Hendrich auf eine Zunahme vollstreckter Todesurteile im Nahen und Mittleren Osten zurückzuführen. Dort sei die Zahl der Hinrichtungen um 50 Prozent gestiegen.

Die tatsächliche Zahl liegt aber vermutlich deutlich höher. Allein in China wurden höchstwahrscheinlich auch im vergangenen Jahr wieder mehr Menschen hingerichtet als im gesamten Rest der Welt. Genaue Zahlen aus der Volksrepublik gibt es allerdings nicht. Die Statistiken werden dort als Staatsgeheimnis behandelt. Amnesty verzichtet deshalb für China auf eine genauere Schätzung. In China würden aber weiterhin Tausende hingerichtet, erklärte Amnesty International weiter.

Hinter den Chinesen folgt Iran auf Platz zwei der Statistik. Dort wurden mindestens 360 Menschen von Staats wegen getötet - unter anderem wegen Ehebruchs, Homosexualität und Abfalls vom islamischen Glauben. Nach Einschätzung von Amnesty liegt die tatsächliche Zahl vermutlich doppelt so hoch. Iran gehört zu den wenigen Ländern, wo Menschen noch in der Öffentlichkeit gehenkt werden.

Iran und Saudi-Arabien richten Minderjährige hin

Mehrere Dutzend Hinrichtungen wurden auch aus Saudi-Arabien (mindestens 82) gemeldet, Irak (mindestens 68), den USA (43), Jemen (mindestens 41) und Nordkorea (mindestens 30). Die USA waren vergangenes Jahr die einzige große Industrienation, die weiterhin Menschen hinrichtet. Japan verzichtete erstmals seit zwei Jahrzehnten darauf. Iran und Saudi-Arabien waren die einzigen Staaten, die auch minderjährige Straftäter töteten.

In Europa vollstreckt nur noch ein einziges Land die Todesstrafe: Weißrussland. Dort wurden vergangenes Jahr zwei Hinrichtungen gezählt. Erst in diesem Monat wurden dort zwei Männer erschossen. Sie waren in einem höchst umstrittenen Prozess für schuldig befunden worden, hinter einem Bombenanschlag in der U-Bahn von Minsk mit mindestens 15 Toten zu stecken.

Todesstrafe ist in 141 Staaten abgeschafft

Nach den Amnesty-Erhebungen wurden vergangenes Jahr von den Gerichten noch mindestens 1923 Todesurteile verhängt. Im Jahr zuvor waren es noch mindestens 2024. Insgesamt saßen Ende 2011 noch mindestens 18.750 Menschen in der Todeszelle.

Die Todesstrafe ist damit laut Amnesty auf dem Rückzug. "Gerade einmal zehn Prozent aller Länder haben 2011 noch Menschen hingerichtet", sagte Hendrich. Nach seinen Angaben haben 141 Staaten die Todesstrafe im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. Die Zahl der Staaten, die die Todesstrafe vollstrecken, ist von 23 im Vorjahr auf 20 zurückgegangen. Vor Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde in Westdeutschland das letzte zivile Todesurteil im Februar 1949 vollstreckt, in Westberlin im Mai 1949 in der DDR 1981. Im Grundgesetz war von Inkrafttreten und mit Gründung der Bundesrepublik an die Abschaffung der Todesstrafe in Artkel 102 festgelegt. Von der amerikanischen Besatzungsmacht wurden im Juni 1951 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg die letzten sieben Todesurteile vollstreckt.

© dpa/AFP/mane - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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