Sportpolitik:Schneller, höher, Putin

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Wladimir Putin bei einem Eishockeyspiel im Mai 2016. (Foto: REUTERS)

Der russische Präsident zeigt sich gern beim Judo, auf dem Eis oder dem Pferd. Er instrumentalisiert den Sport für seine Politik. Jetzt droht ihm deshalb ein Debakel.

Kommentar von Frank Nienhuysen

Triumphierende Sportler sind eine Versuchung, der viele Politiker erliegen. Sieger im Trikot des Vaterlandes werfen auch ein paar Sonnenstrahlen auf Angela Merkel oder François Hollande, und lädt nicht Barack Obama jährlich die Hünen des NBA-Meisters zu einem kleinen Schabernack ins Weiße Haus? Bei Wladimir Putin ist das etwas anders. Auch er freut sich über Sonnenstrahlen, aber er erschafft sich die Sonne gern auch mal selber. Kein anderer Politiker hat sich in den vergangenen Dekaden im globalen Sport derart mächtig ins Zeug gelegt, um sogenannte Mega-Events ins Land zu holen. Und kaum einer war so erfolgreich: Olympische Spiele in Sotschi, Eishockey-WM, Fußball-Weltmeisterschaft. Da kann mit Russland nur Brasilien noch mithalten.

Der Antrieb ist frappierend und lässt sich nicht nur damit erklären, dass sich der Präsident selber gern als Sportskanone zeigt: beim Judo, auf dem Eis oder auf dem Pferd. Ein gesunder Körper als Symbol eines gesunden Staates, was für ein Unterschied ist das zu jenen Jelzin-Jahren, als der Staat so kränkelte wie der Kremlchef. Seitdem sind Politik und Sport in Russland eine enge Allianz eingegangen. Sie helfen und bedingen einander. Sport ist unter Putin zu einer Säule seiner politischen Macht geworden, zu einer Metapher für ein neues internationales Kräftemessen, auch und vielleicht sogar vor allem mit den Amerikanern. Patriotismus - dessen Stellenwert in Russland rasch zunimmt - lässt sich nicht nur durch Fernsehen und Bilder einer neuerdings wieder modernen Armee herauskitzeln, sondern auch durch glänzende Bilanzen im Medaillenspiegel. Doch diese Erfolgsgeschichte ist gerade arg gefährdet.

Russlands Präsident erlebt, wie eine Säule seiner Macht bröckelt

Dass der Staat dabei geholfen hat, die Leistungsfähigkeit von Athleten zu frisieren, droht nun auch Putins Ambitionen zu bremsen, dem Land zur sportlichen Weltmacht zu verhelfen. IOC-Präsident Thomas Bach steht jedenfalls mächtig unter Druck, da nun weltweit Verbände, Sportler und Sportfunktionäre den vollständigen Ausschluss Russlands von Olympia fordern. Keine russischen Sportler, Fahnen und Medaillen in Rio - es wäre ein weitaus größeres Debakel als das verpasste Eishockey-Finale daheim und das frühe Aus bei der Fußball-EM, nur zwei Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land. Immerhin, sollte Bach so entscheiden, es wäre auch die Chance für einen Neuanfang.

Russlands Bild hat zuletzt sehr gelitten, auch durch Hooligans in Frankreich und manche Kommentare daheim. Doch dies täuscht auch: In der großen Mehrheit sind die Russen so fair und ehrlich sportbegeistert wie anderswo. Wer sie je voller Bewunderung hat reden hören über die kanadischen Eishockey-Rivalen, über den deutschen Fußball und die englische Premier League, der spürt, dass die Politik ihren massiven Einfluss auf den Sport durchaus drosseln könnte. Aber schon der Terminkalender zeigt, wie unwahrscheinlich die Trennung ist. 2018 wird in Russland der Präsident gewählt. Für Putin ein Heimspiel. Es ist die Zeit, in der Wahlkampf und WM-Fieber kongenial zusammenfallen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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