SPD: Rente mit 67:Müntefering stellt sich gegen seine Nachfolger

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Der ehemalige SPD-Chef gegen die aktuelle Parteispitze: Franz Müntefering warnt seine Nachfolger eindringlich vor einem Kurswechsel bei der Rente mit 67. Der Ex-Arbeitsminister sorgt sich um die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten. Parteichef Gabriel weist Münteferings Kritik zurück.

Susanne Höll, Berlin

Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat die Spitze seiner Partei eindringlich vor einem Kurswechsel bei der Rente mit 67 gewarnt. Müntefering, der als Arbeitsminister in der großen Koalition dieses Projekt mit durchgesetzt hatte, riet in einem parteiinternen Schreiben davon ab, die schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit zwischen 2012 und 2029 auszusetzen.

Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering geht mit seinen Nachfolgern hart ins Gericht: Eine Abkehr von der Rente mit 67 schade der Partei.   (Foto: ag.dpa)

"Jetzt die Dynamik der konzertierten Aktion (zur Erhöhung des Rentenalters) zu unterbrechen, wäre ein defensives Signal", heißt es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in dem Schreiben. Indirekt warf Müntefering der neuen Führung vor, die SPD-Rentenposition aus parteitaktischen, nicht aber aus sachlichen Gründen korrigieren zu wollen.

"Da alle Beteiligten die Wirkung eines Aussetzungsbeschlusses auf den Fortgang der Debatte in den kommenden Jahren, auch für die anstehenden Wahlkämpfe, kennen, ist das Augenzwinkern kaum zu übersehen. Gut für die Glaubwürdigkeit von SPD und Politik insgesamt ist das nicht", schrieb Müntefering mit Blick auf die Reformvorschläge seines Nachfolgers Sigmar Gabriel. Danach will die SPD im Fall einer Rückkehr an die Regierung die Rente mit 67 für mindestens zwei Jahre aussetzen und 2015 prüfen, ob und wann sie wieder eingeführt werden kann.

Die SPD will erst dann zu der Verlängerung zurückkehren, wenn mindestens 50 Prozent der Arbeitnehmer, die älter sind als 60 Jahre, eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit haben. Derzeit liegt diese Quote bei etwa 20 Prozent. Zugleich hat die SPD-Führung zahlreiche Vorschläge erarbeitet, wie ältere Menschen im Falle der Arbeitslosigkeit künftig besser abgesichert werden können.

Müntefering machte deutlich, dass er diesen zwischen Gabriel und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier abgestimmten Kompromissvorschlag als unredlich empfindet. Im Streit um die Lebensarbeitszeit seien die "Fundamentalkritiker", die die Rente mit 67 grundsätzlich ablehnen, aus seiner Sicht ehrlicher, wenngleich sie sachlich unrecht hätten, schrieb er. Müntefering, der sich als Bundestagsabgeordneter insbesondere mit Fragen des demografischen Wandels beschäftigt, warnte die SPD zudem, die Folgen der alternden Gesellschaft für die Sozialsysteme herunterzuspielen. "Die Rente mit 67 jetzt zu tabuisieren, täuscht eine Gesamtantwort vor, die es bisher nicht gibt", schrieb er.

Gabriel wies die Rüge Münteferings zurück und sprach dabei von "Unterstellungen", insbesondere beim Vorwurf der Zeitschinderei. Damit werfe er allen um eine verträgliche Lösung bemühten SPD-Politikern vor, "dass sie sich nicht von sachlichen Erwägungen, sondern von parteipolitisch-taktischen Erwägungen leiten lassen", schrieb Gabriel in einem Antwortschreiben.

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"Ich kann nur kurze Sätze." Einer der letzten Politiker mit verbaler Kraft feiert seinen 70. Geburtstag: Franz Müntefering.

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Die engere SPD-Parteiführung wird unter Vorsitz Gabriels am Sonntag über den Rentenvorschlag beraten, mit dem der jahrelange interne Zwist über dieses Projekt beigelegt werden soll. Steinmeier, der zu den Befürwortern der Rente mit 67 zählt, ist inzwischen mit einer Aussetzung einverstanden. Der Parteivize, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, forderte bislang allerdings die Rückkehr zur Rente mit 65. Aus seiner Umgebung verlautete zuletzt, Wowereit könnte möglicherweise bereit sein, diesen Weg mit zu gehen.

Gabriel und Steinmeier wollen zudem eine Abstimmung über den Kurswechsel bei der Rente auf dem Parteitag vermeiden. Stattdessen schlagen sie vor, dass die Parteibasis zunächst über den Vorschlag diskutiert und eine mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, dem Vize-Parteichef Olaf Scholz und dem Chef der SPD-Arbeitnehmergruppe Ottmar Schreiner besetzte Kommission später Vorschläge für einen Beschluss präsentiert.

Diese Idee ist umstritten, andere in der Parteiführung befürchten, dass die Rentendebatte dann außer Kontrolle geraten könnte. Gabriel hatte bei seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr den Parteimitgliedern allerdings mehr Mitsprache bei zentralen politischen Themen der SPD-Politik versprochen.

© SZ vom 20.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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