SPD nach Wahldebakel:Anflug im kalten Wind

Klaus Wowereit taktiert: Mit seinem rot-roten Profil hätte er womöglich auch jetzt schon Chancen gehabt, SPD-Vorsitzender zu werden. Doch der Berliner will es aber nicht. Noch nicht.

Constanze von Bullion

Der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit ist kein Mensch, der an übergroßer Ängstlichkeit leidet. Er hat nie Zweifel daran gelassen, dass er sich zu Höherem berufen fühlt in der Politik. Mal wurde er als nächster Parteichef der SPD gehandelt, mal als künftiger Kanzlerkandidat, und theoretisch hätte jetzt seine Stunde schlagen können. Die SPD liegt am Boden und braucht einen neuen Vorsitzenden, Wowereit gehört mit 55 Jahren und rot-rotem Profil zu den wenigen, die für den Spitzenjob in Frage kommen. Er will ihn aber nicht, hört man, jedenfalls noch nicht. Denn die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Bei der Bundestagswahl hat die Berliner SPD ein Ergebnis eingefahren, das noch desaströser ist als im Rest der Republik. Ausgerechnet in der links regierten Wowi-Hauptstadt hat die SPD 14 Prozentpunkte eingebüßt und landete mit 20,6 Prozent nur auf Platz drei hinter der Linkspartei. Höhere Verluste fuhren nur noch die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ein. Klaus Wowereit hat nicht gezögert, die Verantwortung für das Debakel den Parteifreunden im Bund zuzuweisen. Noch in der Wahlnacht ging er aus der Deckung und sagte, die Partei müsse sich anders aufstellen, neue Gesichter müssten her. Gemeint war sein eigenes, jedenfalls verstanden das alle so.

Das Bundespersonal hat sofort zurückgeschossen. Noch-Finanzminister Peer Steinbrück empfahl dem Bürgermeister, doch erst einmal seine eigene Beliebtheit zu optimieren. Seit Monaten befindet sich Wowereit im Umfragesinkflug, und wenn man ihn fragt, warum das so ist, sagt er, dass die Berliner ihm übelnehmen, dass er womöglich weggeht in die Bundespolitik. Er räumt auch ein, dass es nach acht Regierungsjahren Abnutzungseffekte gibt, nicht bei ihm, wie er meint, sondern beim Publikum. Wowereit kämpft mit einer zunehmend feindseligen Hauptstadtpresse, die ihn mal als entrückten Monarchen, mal als lahmen Gaul verspottet. Dass er die letzten großen Kraftproben in der Stadt, die Volksentscheide um Tempelhof und den Religionsunterricht, siegreich überstanden hat, ändert daran nichts. Im Gegenteil, der Wind bläst seitdem noch kälter.

Das bedeutet nicht, dass Wowereit raus ist aus dem Rennen um die SPD-Spitze. Er will jetzt erst mal Vize-Parteichef werden, für den Posten des Vorsitzenden braucht er mehr Rückhalt in der Partei. Außerdem muss er 2011 noch seine Wahl gewinnen - das wird nicht einfach. Das SPD-Debakel in Berlin nämlich ist keineswegs nur mit Wowereits Imageproblemen zu erklären. In der Metropole Berlin zeichnet sich besonders scharf ab, was der SPD im ganzen Land zusetzt. Im Osten verliert sie Boden an die Linkspartei, und sie kommt nicht an die Hartz-IV-Biotope heran. Viele gehen da nicht mehr wählen. Aber auch in Arbeiterbezirken des Westens stirbt ihr Milieu. Es ist die Lebenswelt, in der die Leute früher malocht, am Wochenende gegrillt und SPD gewählt haben. Eine Welt also, aus der Klaus Wowereit stammt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: