SPD-Generalsekretärin Fahimi:Schluss mit Schweigen

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Blumen und Jubel von den Genossen: Yasmin Fahimi ist die neue Generalsekretärin der SPD. (Foto: Getty Images)

Wochenlang hat die SPD sie von der Öffentlichkeit abgeschirmt, nun stellt sich Yasmin Fahimi auf einem Sonderparteitag den Genossen. Bei ihrer Wahl schneidet die neue Generalsekretärin gut ab. Aber wer ist sie? Und was will sie?

Von Christoph Hickmann, Berlin

Man hatte sich zwischendurch ja nicht einmal ganz sicher sein können, ob es sie wirklich gibt, diese Frau Fahimi. So konsequent hatte die SPD und vor allem deren Pressestelle die designierte Generalsekretärin vor der Öffentlichkeit abgeschirmt, dass man an der realen Existenz der Dame erste Zweifel bekommen konnte. Bis zum vergangenen Montag dauerte diese Phase, da trat Yasmin Fahimi mit Parteichef Sigmar Gabriel vor die wartende Presse. Allzu viel sagte sie bei diesem Auftritt nicht, sondern erklärte, sie wolle erst vor den Delegierten des Parteitags am Sonntag ausführlich werden. Und nun, am Sonntagnachmittag um viertel nach vier, ist es endlich so weit. Auftritt Yasmin Fahimi, 46.

Es könnte ihr Parteitag sein hier in der Arena, nah dem Schlesischen Tor in Berlin, der Hauptzweck dieses Treffens besteht darin, sie zur Generalsekretärin zu wählen - und das konsequente Schweigen in den Wochen zuvor hat die Erwartungen nicht kleiner werden lassen. In Berlin ist Fahimi kaum bekannt, bislang hat sie für die IG Bergbau, Chemie, Energie gearbeitet. Nun sagt sie am Rednerpult, sie sei froh, "endlich als diejenige vor euch zu stehen, die ich wirklich bin".

Aber wer ist sie? Jedenfalls keine herausragende Rednerin, das steht nach ihrer knapp viertelstündigen Rede fest. Und was will sie? Was das angeht, ist man hinterher kaum schlauer als vorher. Sie sagt, sie wolle "den Austausch zwischen den einzelnen Ebenen aktivieren", kündigt "Onlinebefragungen und Themenlabore" an, fordert "Neugier statt Besserwisserei". Etwas kräftigeren Applaus bekommt sie, als sie auf CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer anspielt: "Trotz gemeinsamer Regierung will ich mich nicht mit denen gemein machen, die mit Betrugsvorwürfen Stimmung gegen Menschen aus Osteuropa machen, selbst aber keine ehrliche Doktorarbeit zustande bringen." Ansonsten bleibt ihre Rede eine Sammlung geläufiger Parteiworthülsen. Mit Absicht? Einer, der Fahimi schon länger kennt, spricht von "taktischem Tiefstapeln". Am Ende bekommt sie trotzdem 88,5 Prozent der Stimmen.

Fahimi muss ihre Rolle erst finden

Nun fängt für die Diplom-Chemikerin die Arbeit an. Sie muss, während der neue Wirtschaftsminister Gabriel deutlich weniger Zeit für die Parteiarbeit haben wird, nicht nur das Willy-Brandt-Haus leiten, sondern auch ihre eigene Balance finden: Weder darf sie die Parteizentrale zur Abnickstation für die Regierungspolitik degradieren, noch darf sie in die Oppositionsrolle schlüpfen, um die Sehnsüchte der Partei nach ein wenig Rebellion zu befriedigen. Zugleich muss sie unter Gabriel erst mal ihren Platz finden.

Der sagt über Fahimi, die der neuen Arbeitsministerin Nahles nachfolgt: "Natürlich ist sie nicht in der Art und Weise vernetzt wie Andrea. Das bin ja noch nicht mal ich." Gelächter. Schließlich, sagt Gabriel, habe Nahles einst seine Wahl ins Präsidium verhindert. Gelächter, Nahles wird auf den Leinwänden im Saal eingeblendet, grinsend. Tja, sagt Gabriel, seine kleine Rache bestehe darin, dass die Andrea nun "Ministerin machen" müsse. Applaus.

Eigentlich wollte jemand anderes Generalsekretär werden: Ralf Stegner, Parteilinker und SPD-Landeschef in Schleswig-Holstein. Auch Gabriel wollte ihn wohl, doch Stegners Problem bestand am Ende darin, keine Frau zu sein. Mit Gabriel und dem Bundestags-Fraktionschef Thomas Oppermann waren die beiden wichtigsten Positionen bereits männlich besetzt, da wäre ein Generalsekretär nicht mehr zu vermitteln gewesen. Man kann darüber streiten, ob es überaus geschickt von Gabriel ist, das in seiner Rede noch mal anzusprechen - schließlich macht er damit noch mal deutlich, dass Fahimi nur wegen des Geschlechterproporzes überhaupt zum Zuge kam.

Nietan und Stegner werden Schatzmeister und Partei-Vize

Stegner bekommt eine Entschädigung in Form eines zusätzlich geschaffenen Postens: Er wird mit 78,3 Prozent zum Vize-Parteivorsitzenden gewählt, damit hat Gabriel nun sechs Stellvertreter. Und dann ist da noch Dietmar Nietan, der mit 84,3 Prozent zum Schatzmeister gewählt wird. Er folgt Barbara Hendricks, die nun als Umweltministerin im Kabinett sitzt.

Nietan ist ein "Kumpel" von Martin Schulz - so sagt es der Präsident des Europäischen Parlaments in seiner Rede. Schon vor Beginn des eigentlichen Parteitags haben ihn die Delegierten zum SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai gewählt. Am 1. März will sich Schulz in Rom zum europäischen Spitzenkandidaten der Sozialisten wählen lassen - um nach der Wahl mit möglichst vielen Stimmen im Rücken Anspruch auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zu erheben. Dem Lissabon-Vertrag zufolge muss das Ergebnis der Europawahl bei der Vergabe des Postens berücksichtigt werden. Am Sonntag begründet Schulz sein Ziel fast eine Stunde lang in der ihm eigenen eindringlichen Art und sprengt damit zwar die Tagesordnung, weil die Rede doppelt so lang ausfällt wie vorgesehen. Dafür fegt er aber auch jede Befürchtung hinweg, der Europawahlkampf könnte langweilig werden.

Schulz bekommt 97,3 Prozent, fünf Neinstimmen gibt es, weshalb anschließend der Witz kursiert, das müssten wohl "Ossis" gewesen sein. Warum? Weil es kurz vor dem Parteitag Ärger um die Kandidatenliste für die Europawahl gegeben hat. Die ostdeutschen Landesverbände sahen sich nicht ausreichend berücksichtigt.

Am Vorabend des Parteitags gab es dann eine (kosmetische) Korrektur, sodass nun jeder Landesverband mit mindestens einem Kandidaten auf den ersten 26 Plätzen vertreten ist, also eine realistische Aussicht hat, im Europaparlament vertreten zu sein. Zufrieden sind die Ost-Genossen damit zwar nicht, aber sie fügen sich. Was bleibt ihnen auch übrig, schließlich wollte Parteichef Gabriel diesen "Kompromiss". Und an Gabriel kommt in der SPD gerade niemand vorbei - dessen dürfte sich auch Yasmin Fahimi bewusst sein. Mit dem Europa-Wahlkampf wird sie nicht allzu viel zu tun haben. Für den ist Gabriels Vertrauter Matthias Machnig zuständig.

© SZ vom 27.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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