SPD-Fraktionschef Oppermann und der Fall Edathy:Wadenbeißer in Bedrängnis

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Der Fall Edathy zwingt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in die Defensive. Seine Darstellung des Telefonats mit BKA-Chef Ziercke hat er korrigiert, doch die Union hat sich auf ihn eingeschossen. Über einen Mann, der immer am ganz großen Rad drehen wollte und nun dabei ins Straucheln zu geraten droht.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Ob er nicht gerne SPD-Fraktionschef werden würde, wenn die Sozialdemokraten an die Regierung kämen, ist Thomas Oppermann einmal gefragt worden. Die Antwort kam prompt, schreibt der Cicero: "Nein, lieber ein Ministerium." Innenminister, das war sein Traum. Aber manchmal kommt eben alles ganz anders in der Politik. Oppermann musste auf Drängen von SPD-Chef Sigmar Gabriel Fraktionschef werden. Und nun fragen sich einige, wie lange er noch in diesem Amt bleiben kann.

Oppermann ist zur Zielscheibe der Union im Fall Edathy geworden. Er hat vergangene Woche in einer Pressemitteilung öffentlich gemacht, dass der ehemalige CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich dem SPD-Chef Gabriel die Information steckte, dass der Name des damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy im Zusammenhang mit Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei. Gabriel habe dann Oppermann und den damaligen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier informiert.

Oppermann war da noch parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Friedrich sah sich nach der Mitteilung dem Vorwurf ausgesetzt, Amtsgeheimnisse verraten zu haben. Oppermann hatte behauptet, Friedrich habe die SPD-Spitze auch darüber informiert, dass es "möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen" werde. Friedrich dagegen sagt, er habe lediglich weitergeben, dass der Name Edathy auf einer Liste auftauche. Auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte Friedrich vergangenen Freitag sein neues Amt als Landwirtschaftsminister zur Verfügung.

Die Union will Köpfe rollen sehen

Die Union, allen voran die CSU, will jetzt offenbar auch in der SPD Köpfe rollen sehen. In Oppermann haben sie dafür womöglich einen geeigneten Kandidaten gefunden. Worüber der Sozialdemokrat stolpern könnte: Er hat sich Friedrichs Informationen vom Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, "bestätigen lassen", wie er schreibt. Ziercke aber bestreitet, irgendetwas ausgeplaudert zu haben.

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Oppermann hat inzwischen in einem Interview mit der Bild am Sonntag klargestellt, Ziercke habe ihm "in dem Gespräch keine Einzelheiten genannt". Den "Eindruck, dass ein Ermittlungsverfahren nicht ausgeschlossen ist", habe er lediglich deshalb gewonnen, weil Ziercke Oppermanns Fragen "nicht kommentiert hat".

Dennoch ist der Anruf des parlamentarischen Geschäftsführers Oppermann beim Chef des Bundeskriminalamtes zumindest fragwürdig. Ziercke ist nur seinen Vorgesetzten gegenüber auskunftspflichtig - und im Zweifel dem Parlament, wenn er denn vorgeladen wird. Nicht aber seinem Parteifreund Thomas Oppermann.

Kubicki kündigt "saubere Strafanzeige" an

Der Anruf könnte als Anstiftung zum Geheimnisverrat eingestuft werden. Der ehemalige Bundesrichter und frühere parteilose Bundestagsabgeordnete für die Linke, Wolfgang Nešković, sieht zumindest einen Anfangsverdacht begründet, der Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft rechtfertigen würde. Der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, kündigt für diesen Dienstag eine "saubere Strafanzeige" gegen Oppermann an.

Sigmar Gabriel wiederum betont, dass "sich Herr Oppermann einwandfrei verhalten" habe. Jeder Bürger habe das Recht, einen Beamten um Auskunft zu bitten, so der SPD-Vorsitzende am Montag. Die Frage sei, was geantwortet werde. Und Ziercke habe nach seiner Kenntnis keine Ermittlungsdetails preisgegeben.

Doch so einfach kann Gabriel das Thema nicht aus der Welt schaffen. Statt des Koalitionsausschusses tagen im Kanzleramt am Dienstagabend die Chefs von CDU, CSU und SPD - es ist ein Krisentreffen. Mittwoch will sich Oppermann vor dem Deutschen Bundestag erklären.

Vom SPD-Fraktionvorsitzenden darf vermutet werden, dass er ziemlich genau weiß, wie die rechtliche Lage aussieht. Der Jurist war bis 1990 Verwaltungsrichter, erst in Hannover, dann in Braunschweig. Seit 2005 erst sitzt er im Bundestag. Zuvor war er Landtagsabgeordneter in Niedersachen und wurde Wissenschaftsminister unter dem damaligen Ministerpräsidenten und späteren Kanzler Gerhard Schröder - einen Job, den er auch unter Schröders Nachfolger als Ministerpräsident, Sigmar Gabriel, behielt. Bescheiden wie er ist bezeichnete er sich einmal als den "erfolgreichsten Minister in Gabriels Kabinett".

Nach dem Verlust der Regierungsmehrheit in Niedersachen 2003 ging es für ihn auf die Oppositionsbank. Das kannte er nicht. Seitdem er im Landtag war, hatte immer die SPD regiert. Ihm wurde so langweilig, dass er beinahe ein Angebot angenommen hätte, Präsident der Universität Witten/Herdecke zu werden.

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Oppermann aber besann sich. Er wollte mehr, er wollte nach Berlin. Dorthin, wo die SPD regiert. Später beschrieb er seine Motivation einmal so: "Da dachte ich bei mir: Die drehen jetzt ein großes Rad. Da will ich lieber mit drehen, als gedreht zu werden."

Wechselhaftes Verhältnis zu Friedrich

Zwei Jahre nach seinem Einzug in den Bundestag ist das Rad, an dem er dreht, schon ziemlich groß: 2007 wird er parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Er war in dem Amt so etwas wie der Wadenbeißer im Dienste seiner Fraktionschefs Peter Struck und zuletzt Frank-Walter Steinmeier. Fast wöchentlich war er Gast in irgendeiner deutschen Fernsehtalkrunde. Und machte so der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles Konkurrenz.

Zu Höchstform lief er auf, wenn es darum ging, die Innenminister der schwarz-gelben Koalition aufs Korn zu nehmen. Besonders gerne hat er sich an Hans-Peter Friedrich abgearbeitet. Friedrich sei ein "verwirrter Innenminister" sagte er einmal in einer seiner Berliner Frühstücksrunden mit Journalisten, als es um das anstehende NPD-Verbotsverfahren ging. Das Land brauche keinen "zaudernden" Friedrich, "der nicht weiß, was er machen soll".

Erst in den Koalitionsverhandlungen scheinen sich der scharfzüngige Oppermann und der eher ländlich wirkende Friedrich nähergekommen zu sein. Gemeinsam verabredeten sie - an allen anderen vorbei - Volksabstimmungen in Deutschland möglich zu machen. Daraus wurde dann allerdings nichts, weil Kanzlerin Angela Merkel die Idee kassierte.

Noch ist unklar, ob es eine Warnung gab

Selbst seine Pressemitteilung zur Informationskette in Sachen Edathy hat er mit Friedrich abgestimmt, was dieser auch einräumt. Erst hinterher scheint Friedrich aufgefallen zu sein, dass das nicht gut für ihn war. Dass Oppermann "offensichtlich versucht, dann, in letzter Sekunde, wenn man ihn am Schlafittchen hat, den Ball zu mir zu schieben, das ist nicht ganz fein", ärgert sich der Franke jetzt.

Völlig unklar ist noch, ob ein Eingeweihter aus der SPD Edathy gewarnt hat. Er selbst und die betroffenen SPD-Spitzenleute bestreiten das. Zuletzt an diesem Montag widersprach SPD-Chef Gabriel selbst dieser Vermutung. Auch mit den aus den Reihen der Union geforderten eidesstattlichen Erklärungen dürfte die Sache nur schwer aufzuklären sein.

Oppermann mag den Job des Fraktionsvorsitzenden der SPD nicht gewollt haben - am großen Rad dreht er nun trotzdem. Er wäre nicht der Erste, der dabei ins Straucheln kommt.

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