SPD:Der Schulz-Effekt verdeckte nur kurz den labilen Zustand der SPD

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Auf Martin Schulz lasten in der SPD große Hoffnungen, bisher wurden sie nicht erfüllt. (Foto: dpa)

Die Sozialdemokraten wollten ihr Wahlprogramm vorstellen und sind gescheitert. Um es mit den Worten von Ex-Fußballer Andreas Brehme zu sagen: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß."

Kommentar von Detlef Esslinger

In der öffentlichen Wahrnehmung geht es der SPD etwas besser als den Grünen und der Linken, aber schlechter als der FDP. Das Problem der Grünen und der Linken ist, dass sie derzeit kaum Aufmerksamkeit finden. Das liegt zum Teil an ihnen selbst, und zum Teil daran, dass der an Politik interessierte Teil der Öffentlichkeit monatelang fast nur auf Schulz und Merkel schaute.

Da blieb für die kleineren Parteien Grüne und Linke wenig übrig - zumal sie nicht über zwei Rampensäue wie Lindner und Kubicki verfügten, die die andere kleinere Partei, die FDP, im Wechselgesang zu zwei Wahlerfolgen brachten. Die Lage derzeit ist so, dass FDP und SPD beide viel Aufmerksamkeit erhalten. Allerdings sind es recht unterschiedliche Formen von Aufmerksamkeit: Die FDP ist wieder im Gespräch, die SPD jetzt im Gerede.

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Hilfen für kleine und mittlere Einkommen, kostenlose Kitas, Änderungen beim Spitzensteuersatz: Die Sozialdemokraten umreißen ihr Konzept zur Bundestagswahl - ohne besonders genau zu werden.

Von Christoph Hickmann und Wolfgang Wittl

Die Niederlage im Saarland war einer der Gründe für die Niederlage in Schleswig-Holstein, die wiederum einer der Gründe für die Niederlage in Nordrhein-Westfalen war. Wenn mehrere Landtagswahlen kurz aufeinander folgen, besteht immer die Wahrscheinlichkeit, dass das jeweils erste Ergebnis einen sich selbst verstärkenden Prozess in Gang setzt.

Nach dem Dämpfer von Saarbrücken und den Katastrophen von Kiel und Düsseldorf wollte die SPD am Montag den Entwurf ihres Bundestagswahl-Programms vorstellen, anders gesagt: den Versuch unternehmen, wieder ins Gespräch zurückzufinden. Das Ergebnis? Andreas Brehme fällt einem ein, der ehemalige Fußballspieler, mit seiner groben, also ewigen Weisheit: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß."

Am Montag zeigte sich, in welch labilem Zustand die Partei ist

Denn worüber wird seit Montagmittag geredet? Über die Vorstellungen der Sozialdemokraten zu Bildung, Familie, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Steuern und Renten? Am Morgen hatte die SPD ihre Präsentation erst ab- und dann wieder zugesagt. Der politisch-mediale Komplex weicht in solchen Fällen grundsätzlich nicht auf eine Debatte über das Für und Wider einer "Nährwert-Ampel" (Seite 36 des Programmentwurfs, Zeile 1481) aus. Vielmehr hebt er, zehn Minuten nach dem Auftritt von Generalsekretärin Katarina Barley, ein "News-Spezial" ins Programm eines Nachrichtensenders, zum Thema "Chaos in der SPD".

Zwar war immer klar, dass die SPD sich mit den Details zu Steuern und Rente, den beiden wirklich großen Themen, noch Zeit lassen wollte. Und das Schicksal einer Partei entscheidet sich auch nicht an der Frage, ob sie ihre Pläne dazu vier, dreieinhalb oder drei Monate vorher beisammen hat. Die Union lässt sich ja auch Zeit.

Entscheidend ist etwas anderes: Auf wie viel Zuspruch darf eine Partei hoffen, die seit dem Leberhaken von Düsseldorf den Anschein erweckt, nicht mehr auf die Füße zu kommen, und die mit ihrem Programmentwurf durch die Landschaft taumelt?

Die Demokratie braucht eigentlich den Wettbewerb von zwei Volksparteien, die auf Augenhöhe sind. Doch die SPD ist dies nicht; die zeitweilige Begeisterung für Schulz hat nur überspielt, in was für einem labilen Zustand sie gefangen bleibt.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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