Spannungen: Nord- und Südkorea:Ein Torpedo, 46 Tote und viele Fragen

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Der Bericht über Nordkoreas Schuld am Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffs enthält Ungereimtheiten. Hillary Clinton kündigte unterdessen neue Sanktionen gegen Pjöngjang an.

Christoph Neidhart

Angesichts der jüngsten Spannungen auf der koreanischen Halbinsel hat US-Außenministerin Hillary Clinton am Mittwoch neue Sanktionen gegen Pjöngjang angekündigt.

Die US-Minister Robert Gates und Hillary Clinton (in Zivil) werfen von Südkorea aus einen Blick über die Grenze in den Norden der Halbinsel. (Foto: AP)

Die Strafmaßnahmen sollen sich vor allem gegen das Regime in Pjöngjang und dessen umstrittene Atomwaffen- und Raketenprogramme richten. Anschließend besuchte Clinton mit US-Verteidigungsminister Robert Gates die Demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea.

Gates hatte am Dienstag verkündet, dass die USA und Südkorea bald große Luft- und See-Manöver starten würden. Dazu traf am Mittwoch der Flugzeugträger USS George Washington in Südkorea ein. Geübt werden soll die U-Boot-Abwehr. Dies ist eine Antwort auf den Untergang des südkoreanischen Patrouillenboots Cheonan, das Ende März im Gelben Meer zwischen China und der koreanischen Halbinsel sank. Dabei starben 46 südkoreanische Marine-Soldaten.

Die internationale Ermittlergruppe, die den Untergang untersucht hatte, befand, die Cheonan sei von einem nordkoreanischen Torpedo versenkt worden. Washington und der UN-Sicherheitsrat haben diese Erklärung akzeptiert und den Vorfall scharf verurteilt, die UN allerdings, ohne Nordkorea zu nennen.

Eine andere plausible Erklärung für die Havarie gibt es bisher nicht. Zumal Nordkorea vorigen Winter mehrfach mit Vergeltung drohte, nachdem der Süden ein Patrouillenboot des Nordens schwer beschädigt hatte. Dennoch zweifeln viele Südkoreaner am Schlussbericht der Ermittler. In Seoul hört man, die schwedische Delegation habe sich geweigert, den Bericht zu unterschreiben. Die Havarie-Kommission in Stockholm mag das weder bestätigen noch dementieren. Die involvierten Experten seien in den Ferien, der Delegationsleiter auf einem Segelboot, man könne ihn nicht erreichen, sagt eine Sprecherin.

Indes stellten der Politologe Suh Jae Jung und der Physiker Lee Seung Hee jüngst in Tokio ihre Analyse des Untersuchungsberichts vor. Man wisse weder, wann die Cheonan unterging, noch wo, und schon gar nicht, wie, sagte Suh. Im Bericht heißt es, die Explosion geschah um 21.20Uhr, das Hauptquartier der Marine protokollierte 21.15 Uhr, die Armeeführung 21.45 Uhr. So unklar wie die Zeit ist auch der Ort. Das Militär hat verschiedene Positionen veröffentlicht. Das sei beispielhaft für den ganzen Bericht, sagte Suh.

Die Ermittlergruppe kam zu dem Schluss, ein sogenannter Bubble-Effekt habe das Schiff in zwei Teile gerissen. Verursacht sei er von einem Torpedo worden, der demnach schräg unter dem Rumpf der Cheonan explodiert war. Ein Bubble-Effekt ist eine wuchtige säulenförmige Wasser-Druckwelle, die Torpedos auslösen, wenn sie unter Wasser explodieren.

Jedoch wendete Suh ein, dass solch ein Bubble-Effekt dem Rumpf eine weiträumige, sphärische Delle zugefügt hätte. In diesem Fall wäre das Schiff aber an einer anderen Stelle auseinandergebrochen, als es bei der Havarie der Fall war. Für den Bubble-Effekt eines Torpedos war der Rumpf zudem verdächtig wenig beschädigt. Die Experimente der Ermittler bewiesen dies, jedoch seien die Ergebnisse falsch interpretiert worden, sagte Suh. Zudem hätte man auf dem Meeresgrund in der Nähe jenes Torpedos, den die Ermittler bargen, viele kleine Trümmer finden müssen.

Suh weigerte sich, über die Ursache der Havarie zu spekulieren. Zur Frage, ob es ein US-Torpedo gewesen sein könnte, sagte er: "Ich kann mit gleicher Sicherheit sagen, es war kein amerikanischer Torpedo, wie ich sagen kann, es war kein nordkoreanischer Torpedo. Weil es kein Torpedo war." Die Aussagen der Überlebenden und der Zeugen auf einer nahen Insel sprächen auch dagegen. Es gebe keine Hinweise auf eine Schockwelle. Aufgrund der Schäden am Wrack der Cheonan könne man eine Explosion im Schiff und einen Treffer durch ein Geschoss ausschließen.

Der Physiker Lee Seung Hee unterstellte den Ermittlern sogar, sie hätten Materialuntersuchungen gefälscht. Die Reste von Aluminiumoxid an der Cheonan, die das Schiff mit den geborgenen Torpedo-Schrott in Verbindung bringen sollten, hält er für Korrosionsspuren. Er fragte zudem, warum die Farbe einer handgeschriebenen koreanischen Markierung "Nummer 1" frisch sei, während der Lack des Torpedopropellers daneben völlig verwittert ist. "Die ,Nummer1' kann irgendjemand da hingeschrieben haben, in Südkorea schreibt man das gleich wie im Norden." Beide Wissenschaftler forderten Südkoreas Regierung auf, die Untersuchung neu aufzurollen. Kein normales Gericht würde die Belege der Ermittler für einen Indizienbeweis akzeptieren.

Doch die USA und Südkorea mahnten am Mittwoch den Norden an, die Attacke zuzugeben. Pjöngjang weist weiter jede Beteiligung am Untergang der Cheonan von sich.

© SZ vom 22.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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