Schleswig-Holstein:Carstensen feuert SPD-Minister

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"Eiskalte Machtausübung": Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen entlässt alle vier SPD-Minister aus seinem Kabinett. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Erdsiek-Rave zeigt sich "menschlich tief enttäuscht". Carstensen habe ihr noch vor kurzem gesagt, er wolle sie nicht entlassen.

Jens Schneider

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat am Montag im Kieler Landtag die Vertrauensfrage gestellt und kurz danach alle vier Minister seines bisherigen Koalitionspartners SPD entlassen. Mit der Vertrauensfrage will er den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen will die vier SPD-Minister entlassen. (Foto: Foto: AP)

Zuvor hatte sich die SPD der Auflösung des Landtags verweigert und Carstensen damit unter Druck gesetzt. Während alle anderen Fraktionen für die Selbstauflösung des Parlaments stimmten, lehnten die Sozialdemokraten diesen Schritt ab. "Nach den Geschehnissen der vergangenen Tage lassen Sie mir nach dieser Abstimmung keine andere Wahl", sagte Carstensen vor dem Parlament.

Der Landtag soll am Donnerstagvormittag über die Vertrauensfrage abstimmen. Vorgezogene Neuwahlen könnten dann zeitgleich mit der Bundestagswahl am 27. September stattfinden.

Für Donnerstag wird erwartet, dass neben den Oppositionsparteien FDP, Grüne und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) auch die Mehrheit der Sozialdemokraten dem Regierungschef das Misstrauen ausspricht. Dies signalisierte auch der SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Die SPD sei jetzt ebenfalls für Neuwahlen, sagte er, der Weg dahin müsse aber "anständig und ehrenhaft sein".

Die vier SPD-Minister, Vize-Regierungschefin und Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, Lothar Hay (Innen), Uwe Döring (Justiz) und Gitta Trauernicht (Soziales), erhielten noch am Montagabend die Entlassungsurkunden. Innerhalb von 24 Stunden müssen sie ihre Büros räumen. Carstensen sagte, dieser Schritt sei ihm "persönlich außerordentlich schwer gefallen". Erdsiek-Rave zeigte sich "menschlich tief enttäuscht" von der "eiskalten Machtausübung". Für Stegner handelte Carstensen "schäbig, unbegründet und würdelos". Carstensen habe ihr noch in der vergangenen Woche gesagt, er wolle sie nicht entlassen.

Die SPD hatte die von Carstensen gewünschte Auflösung des Landtags nicht unterstützt, weil sie dessen Begründung dafür nicht akzeptieren wollte. Der Antrag sei mit der angeblichen Unzuverlässigkeit der Sozialdemokraten begründet worden, sagte Stegner. Dies sei vorgeschoben.

Er warf Carstensen erneut den vorsätzlichen Koalitionsbruch vor. Das Ende der Koalition sei seit längerem mit der FDP verabredet gewesen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nannte das Verhalten von Carstensen in Berlin "unanständig" und "hinterhältig".

Carstensen warf Stegner erneut vor, dieser habe sich in der Koalition immer wieder aus der Verantwortung gestohlen und ihm als Ministerpräsident damit das Vertrauen entzogen. Das Land brauche in der aktuellen Krise eine handlungsfähige Regierung. Die Auflösung des Parlaments wäre die "offenste, ehrlichste und sauberste" Möglichkeit gewesen, zu Neuwahlen zu kommen. Carstensen wollte die Vertrauensfrage vermeiden.

Stegner verschärfte am Montag seine Kritik am Umgang des Ministerpräsidenten mit den umstrittenen Sonderzahlungen von 2,9 Millionen Euro an den Chef der HSH-Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher und forderte Carstensen zum Rücktritt auf. Der Ministerpräsident habe eindeutig das Parlament belogen. So etwas müsse Konsequenzen haben. Carstensen hatte am Sonntag eingestehen müssen, dass er in dieser Angelegenheit in einem Brief an den Präsidenten des Kieler Landtags unwahre Aussagen gemacht hat.

© SZ vom 21.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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