Schäuble und die FDP:Geht nicht. Gibt es nicht.

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Was interessieren "den alten Knochen" Wolfgang Schäuble Koalitionsverträge: Ein Auftritt vor Handwerkern zeigt, wie tief der Graben zwischen der FDP und dem CDU-Finanzminister ist.

Th. Denkler, Berlin

Seine Miene verdüstert sich zunehmend. Und als der FDP-Finanzexperte Volker Wissing dann endlich auf das Podium steigen darf, da scheint es, als brodele in ihm ein Vulkan isländischer Sprengkraft. Wissing hatte zuvor eine gute Dreiviertelstunde lang Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zuhören müssen. Das ist der Mann, den FDP-Generalsekretär Christian Lindner auf dem Parteitag der Liberalen vergangenes Wochenende in Köln als "Finanzphilosophen" bezeichnet hat - und das war sicher nicht als Kompliment gemeint.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) während der Pressekonferenz nach den Beratungen mit den Chefs des Internationalen Währungsfonds und der EZB. (Foto: Foto: dpa)

Die FDP will endlich Steuern senken, auf Teufel komm raus. An Schäuble aber scheinen sich die Liberalen die Zähne auszubeißen.

Wissing musste das an diesem Morgen beim "Steuerforum des Zentralverbands des Deutschen Handwerkes" wieder bitter erfahren. Es muss eine Qual für den FDP-Mann gewesen sein.

Nonchalant kündigte Schäuble erst an, dass er sicher keine Antwort darauf habe, wie eine Steuerreform und Haushaltskonsolidierung unter einen Hut gebracht werden können. Dann aber erklärte er Punkt für Punkt, was - im Moment zumindest - alles nicht geht.

Mit Moment meint Schäuble übrigens nicht die Jahre 2010, 2011 oder 2012. Mit Moment meint er die komplette Legislaturperiode, die im September 2013 endet.

Mögen die anderen streiten, ob schon 2011 oder erst 2012 die Bürger entlastet werden. Schäuble hat da einen ganz anderen Horizont: Die Koalition werde "über diese Legislaturperiode hinaus den Spielraum gewinnen, um das, was wir uns vorgenommen haben, auf den Weg zu setzen." Mit anderen Worten: Liebe FDP, das wird erst mal nichts.

Genau genommen grenzt das an einen Bruch des Koalitionsvertrages. In dem steht zwar nicht viel Deutliches drin, aber dass es in dieser Legislaturperiode zu Entlastungen von 24 Milliarden Euro kommen soll, ist einer der klarsten Punkte.

An die Realität angepasst

Schäuble hat da eine andere Wahrnehmung, oder besser, er hat sie den Realitäten angepasst. Er warnt, dass die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise noch gar nicht alle absehbar seien. Und das es gelte, Haushalte aufzustellen, die dem Grundgesetz entsprechen. Niemand werde einen "verfassungswidrigen Haushalt unterschreiben", sagt er.

Damit erklärt Schäuble auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für sakrosankt. Sie fordert, dass allein der Bund von 2011 an bis 2016 pro Jahr zehn neue Euro-Milliarden einzusparen hat. Gegenüber heute stehen im Bundeshaushalt 2016 dann 60 Milliarden Euro weniger zur Verfügung.

Selbst wenn er wollte, er sehe schon in der "zweiten gesetzgebenden Körperschaft" also im Bundesrat, keine Mehrheiten für Projekte, die für die Länder Einnahmeausfälle bedeuteten. Nicht in Frage käme, dass der Bund stattdessen dafür aufkomme. "Das geht nicht", sagt er und wendet sich direkt an den FDP-Mann, der im Zuschauerraum auf seinen Auftritt wartet: "Es hilft nichts, Herr Wissing."

"Ich alter Knochen"

Schäuble hält die Wirkung des sogenannten Mittelstandbauches, mit dem die überproportionale Belastung mittlerer Einkommen umschrieben wird, ohnehin für überschätzt, weshalb eine Abschmelzung desselben noch Zeit habe. Das war eigentlich ein Kernanliegen der schwarz-gelben Koalition für diese Wahlperiode. Schäuble muss so was nicht stören. Er will in der Politik nichts mehr werden. "Das ist der Vorteil meines Nachteils, dass ich ein alter Knochen bin."

Wolfgang Schäuble in Bildern
:Der Alleskönner

Finanzminister Schäuble hat eine beeindruckende Karriere als Bundespolitiker hinter sich. Trotzdem mehren sich nun Zweifel, ob er seinem Amt gewachsen ist.

Bevor er Steuern senkt, würde er sich lieber an die Steuervereinfachung machen, was auch schon nicht kostenneutral funktionieren werde. Oder an die Senkung der Sozialversicherungsabgaben, wenn es denn finanzierbar wäre. Vor allem aber liegen ihm die kommunalen Finanzen am Herzen. Was nütze schließlich eine Steuersenkung, von der auch die anwesenden Handwerker profitierten, sagt er, wenn die Kommunen nicht in der Lage seien, Aufträge zu erteilen.

Immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand

Schäuble sieht jedoch auch, dass andere in seiner Regierung das komplett anders sehen. Darum würde er "am liebsten" die Verantwortlichen in der Koalition mal "in eine Klausur packen". Und zwar eine von der Art, die nicht beendet wird, bevor es eine Lösung gibt. Seine vage Hoffnung ist wohl, dass er die Steuersenker dort zur Vernunft bringen kann. Er jedenfalls habe "nicht die Absicht, die Kraft der Finanzpolitik auf unrealistische Ziele zu lenken". Oder, noch deutlicher: Wer mit dem Kopf durch die Wand wolle, der schade zuerst seinem Kopf. "Manche begreifen das erst beim dritten Mal."

In seinen Augen muss FDP-Finanzexperte Volker Wissing zu denen gehören, die sich schon dutzendfach an der Wand abgemüht haben, denen aber wenig überraschend immer noch kein Durchbruch gelungen ist. Seit Jahren trägt die FDP ihr Steuersenkungsversprechen wie ein Mantra vor. Auch Volker Wissing würde wohl sofort "niedrig, einfach, gerecht!" brüllen, würde er mit lautem Getöse aus dem Tiefschlaf gerissen.

Als er dann endlich dran ist, scheinen ihm die Argumente ausgegangen zu sein. Ohne Schäuble direkt anzusprechen sagt er nur, es gebe in Deutschland ganz viele, die immer wieder Gründe suchen, dass das mit der Steuerreform nicht funktionieren werde. Dann sagt Wissing, was Liberale immer sagen, wenn sie auf den Widerspruch von Steuersenkungsphantasien und leeren Kassen hingewiesen werden. Erstens seien die Kassen nicht leer, und zweitens könne Haushaltskonsolidierung nur gelingen, wenn die Steuern gesenkt werden.

Man muss es nur glauben. Anders ist der müde Applaus auch nicht zu erklären, den Schäuble von den Handwerkern im Saal bekommen hat. Auch in dieser ansonsten bodenständigen Berufsgruppe scheint es eine ausgeprägte Sehnsucht nach spiritueller Erleuchtung zu geben. Die FDP scheint zumindest dafür ein ganz passabler Ansprechpartner zu sein.

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