Einlenken des Assad-Regimes:Syrien will Giftgasbestände offenlegen

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UN-Chemiewaffen-Experten in Syrien: Das Land zeigt Bereitschaft, seine Giftgas-Depots offenzulegen. (Foto: REUTERS)

Syriens Außenminister al-Muallem erklärt sich bereit, der internationalen Gemeinschaft Zugang zu den Chemiewaffendepots zu verschaffen. Der UN-Sicherheitsrat kommt noch am Abend zu einer Sondersitzung zusammen. Großbritannien, Frankreich und die USA wollen einen Resolutionsentwurf vorlegen. Doch es ist unklar, ob Russland zustimmt.

Syrien will offenbar der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten. Das sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallem nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. "Wir sind bereit, die Lagerstätten für chemische Waffen mitzuteilen, die Produktion von Chemiewaffen einzustellen und den Vertretern Russlands, anderer Staaten und der Vereinten Nationen diese Objekte zu zeigen", sagte al-Muallem. "Unsere Zustimmung zur russischen Initiative bedeutet, uns von allen Chemiewaffen zu trennen. Wir sind absolut bereit, diese Initiative umzusetzen", sagte der Minister.

US-Präsident Barack Obama hat derweil den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, den russischen Vorschlag zur Kontrolle von syrischen Chemiewaffen zu prüfen. Obama habe zuvor mit Frankreichs Präsident François Hollande und dem britischen Premier David Cameron telefoniert. Die Politiker hätten sich darauf verständigt, in dieser Frage mit den anderen Vetomächten im Weltsicherheitsrat, Russland und China, zu kooperieren.

Der UN-Sicherheitsrat hat noch für Dienstagabend eine Sondersitzung zu Syrien angesetzt. Sie soll um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit beginnen. Die britische Regierung hat angekündigt, gemeinsam mit den USA und Frankreichs einen Resolutionsentwurf einzubringen.

Der Text werde den russischen Vorschlag aufgreifen, für den Fall der Nichtbeachtung aber auch Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen festschreiben. Allerdings erklärte Russlands Außenminister Sergej Lawrow den französischen Entwurf als "nicht akzeptabel", wie die Agentur Itar-Tass meldete.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius äußerte sich zurückhaltend, was die Hoffnungen auf eine bindende UN-Resolution angeht. Unklar ist, ob Russland eine einfache Erklärung der Präsidentschaft des UN-Sicherheitsrates bevorzugt.

Die entscheidende Frage ist offenbar, ob in der Resolution ein Militärschlag angedroht wird. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte in einem Interview, dass die USA auf einen Militärschlag verzichten müssten, wenn die syrische Regierung zur Kontrolle ihrer Chemiewaffen bereit sei. Allerdings müsse die Assad-Regierung das gesamte Arsenal vernichten.

USA sieht Vorschlag Russlands als Erfolg seiner Politik

Die USA sehen es als erwiesen an, dass das syrische Regime Mitte August mehr als 1400 Menschen bei Damaskus mit Giftgas getötet hat. Die US-Regierung plante bislang, Assad dafür militärisch zu bestrafen. Obama stellte zu Wochenbeginn aber eine Abkehr von einem Militärschlag in Aussicht. Er würde vorerst keinen Angriff unternehmen, wenn das Regime von Machthaber Baschar al-Assad seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stelle, sagte er in Interviews.

Die jüngsten diplomatischen Entwicklungen in der Syrien-Krise sieht der US-Präsident auch als Erfolg seiner Politik. "Dieser potenzielle diplomatische Durchbruch kam wegen der glaubwürdigen Drohung mit einem Eingreifen der USA zustande", sagte Präsidialamtssprecher Jay Carney.

Obama werde dies in seiner Rede am Dienstagabend (Mittwoch 3 Uhr mitteleuropäischer Zeit) auch so darlegen. Der von Russland vorgebrachte Vorschlag sei in der vergangenen Woche zwischen Obama und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin sowie später von den Außenministern diskutiert worden. Er sei damit "ein Nebenprodukt des von Obama angeführten Vorstoßes für einen Angriff".

UN darf kein "Debattierklub" sein

Außenminister John Kerry warnte noch einmal, dass die USA eine Syrien-Intervention nicht aufgeben würden, wenn sich die jüngste Initiative für eine diplomatische Lösung als Hinhaltetaktik erweise. Die Kontrolle und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen müsse schnell geschehen, es müsse "real" und überprüfbar sein. Wenn der UN-Weltsicherheitsrat das Vehikel sein wolle, um diese diplomatische Lösung zu erreichen, dann dürfe er sich nicht als ein reiner "Debattierklub" erweisen.

Der Minister rief den Kongress erneut eindringlich dazu auf, einen Militärschlag zu bewilligen. Auch Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte: "Diese Drohung muss andauern".

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht dagegen gute Chancen für eine friedliche Lösung im Syrien-Konflikt. "Es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass Diplomatie und Politik eine Chance bekommen. Den müssen wir nutzen", sagte Merkel bei einem Wahlkampfauftritt am Dienstag im Europa-Park in Rust bei Freiburg. Ein Militärschlag sei zwar nicht vom Tisch, er könne möglicherweise aber noch verhindert werden. Deutschland werde sich politisch und diplomatisch bemühen, den Konflikt zu entschärfen. Syrien müsse jedoch "sehr schnell" handeln.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/olkl/kjan - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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