Rechtsextremismus:Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet "Identitäre Bewegung"

  • Bisher wurde die "Identitäre Bewegung" von elf Landesämtern beobachtet, jetzt zieht der Bund nach.
  • "Wir sehen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung", begründet Verfassungsschutzchef Maaßen den Schritt.
  • Die Identitären haben Kontakte in die rechtsextreme Szene.

Von Antonie Rietzschel

In Sachsen tauchen sie immer wieder auf - mit Kreide gemalte Umrisse eines Menschen, dazu rote Farbe und verschiedene Sprüche: "Migration tötet" oder "Eure Schuld Reutlingen". Lange war unklar, wer die Täter sind. Anfang August erwischte die Polizei vor dem Sächsischen Landtag zwei Männer, die gerade mit Sprühkreide zugange waren. Sie gehören zur rechtsextremen "Identitären Bewegung", die in Frankreich ihre Wurzeln hat und mittlerweile auch in Österreich und Deutschland aktiv ist.

Hierzulande wurde sie bisher von elf Landesämtern des Verfassungsschutzes beobachtet. Nun zieht das Bundesamt nach. "Wir sehen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung", sagte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere in der Anti-Asyl-Agitation im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise habe sich eine weitere Radikalisierung gezeigt. "So werden Zuwanderer islamischen Glaubens oder aus dem Nahen Osten in extremistischer Weise diffamiert. Deshalb beobachten wir die Bewegung nun auch." Vor drei Jahren hatte Maaßen noch erklärt, die Gruppierung habe "bislang wenig Realweltbezug". Die Bundesregierung zählte damals 50 lokale oder regionale Gruppen, die sich den Identitären zurechneten.

Maaßens Bemerkung bezog sich damals noch darauf, dass die Identitären zunächst vor allem in sozialen Netzwerken unter Pseudonymen aktiv waren. Doch mittlerweile lässt sich die Bewegung mit zahlreichen Guerilla-Aktionen in Verbindung bringen: 2013 stellten sich 14 junge Männer vor das Brandenburger Tor, Schilder und Fahnen zeigten das Symbol der Identitären: mit schwarzer Farbe ist der griechische Buchstabe Lambda auf gelben Grund gemalt. Angeblich ist das Symbol an den Film "300" angelehnt.

Die Anhänger der Bewegung verteilen Flyer und Aufkleber. Im Sommer letztes Jahr besetzten fünf Männer einen Balkon des Willy-Brandt-Hauses und entrollten ein Plakat, auf dem "Asylwahn stoppen" stand. Als die Polizei eintraf, waren sie schon wieder verschwunden. Anfang August tauchten bei der Amadeu-Antonio-Stiftung zwei junge Männer auf, die Stasi-Uniformen trugen. Sie sollen eine Mitarbeiterin bedrängt haben und wollten der Stiftungsleiterin Annetta Kahane eine Urkunde für hervorragende Dienste bei der Zensur von "einwanderungskritischen Kommentaren" überreichen.

Die rechte und rechtsextreme Szene ist schon länger im Wandel. Während klassische Anlaufstellen wie die NPD sowie deren Jungendorganisation zunehmend an Bedeutung verlieren, hat sich eine Neue Rechte entwickelt. Als einer der Vordenker gilt Götz Kubitschek, der die Zeitschrift "Sezession" herausgibt. Das Spektrum der Neuen Rechten reicht von AfD über Pegida hin zu Gruppen wie den Identitären.

Man hört Frei.Wild aber auch Johnny Cash

Die Identitären gelten mittlerweile als popkultureller Arm der rechtsextremen Szene. Die Anhänger nennen sich selbst IBster. Ihre Lieblingsmarke ist Phalanx Europa, die T-Shirts mit der Aufschrift "Fortress Europe" oder "NietzCHe" (in Anspielung auf Friedrich Nietzsche und Che Guevara) verkaufen. In Phalanx-Europa-Onlineshop sind Aufkleber der rechtsextremen Internetseite Pi-News zu haben.

Auf ihrer Internetseite geben die Identitären auch Musik-Tipps, empfehlen die umstrittene Südtiroler Band Frei.Wild, aber auch Johnny Cash. Unter den Buchbesprechungen finden sich die Philosophen Nietzsche und Heidegger. Letzterer bescheinigte dem Nationalsozialismus unter anderem "innere Wahrheit und Größe".

Mitglieder der Identitären äußern sich bereitwillig über die Bewegung - auch gegenüber Medien. Martin Sellner, Philosophiestudent in Wien, gilt als ihr Anführer. Gegenüber dem Rolling Stone gab er bereitwillig zu, dass er bis vor sieben Jahren waschechter Nazi und Fan der rechtsextremen Band "Landser" gewesen sei. Heute schreibt er regelmäßig für Kubitscheks Sezession. Daniel Fiß, Kopf der Identitären in Mecklenburg-Vorpommern, wurde 2011 als Mitglied einer rechtsextremen Kameradschaft geoutet. Er leugnet seine rechtsextreme Vergangenheit nicht. Eigenen Angaben zufolge war er auch Schulungsbeauftragter der Jugendorganisation der NPD.

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