Rassistische Kolonialgeschichte:Berliner Charité gibt Gebeine an Namibia zurück

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Die Rückgabe der Schädel ist ihm nicht genug: Moctar Kamara, Vorsitzender des Zentralrates der Afrikanschen Gemeinde. (Foto: dpa)

Leichenteile und Schädel für die "Rassenforschung": Vor mehr als 100 Jahren brachten deutsche Kolonialisten afrikanische Gebeine aus dem heutigen Namibia nach Berlin. Zum zweiten Mal gibt die Charité Teile dieser Überreste zurück. Afrikanische Gruppen fordern eine stärkere Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen.

Sie sollten beweisen, dass die afrikanische "Rasse" der europäischen unterlegen ist: die Schädel und Körperteile aus dem heutigen Namibia, die deutsche Kolonialisten nach Berlin brachten. Die menschlichen Überreste waren zwischen 1898 bis 1913 aus der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika in die Hauptstadt gelangt und befanden sich seitdem in der anthropologischen Sammlung der Charité.

Am Mittwoch hat die Charité die Gebeine von 21 Angehörigen verschiedener Volksgruppen an Vertreter Namibias übergeben. Es ist die zweite feierliche Rückgabe von menschlichen Überresten an das südwestafrikanische Land; im Herbst 2011 hatte eine namibische Delegation die ersten 20 Schädel entgegengenommen.

"Mit diesem Repatriierungsprozess wollen wir zuallererst die Opfer ehren", sagte der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums, Karl Max Einhäupl, während des Festakts. "Wir dürfen nicht darüber hinwegsehen, dass seinerzeit im Namen der Wissenschaft die Gebote der Menschenwürde vielfach verletzt wurden." Die Gebeine hätten dazu gedient, die Ideologie des rassistischen Kolonialismus zu rechtfertigen.

Afrikanische Gruppen haben derweil wiederholt eine Entschuldigung und Wiedergutmachung Deutschlands für Gräueltaten aus der Kolonialzeit gefordert. "Die Bundesregierung versucht, Völkermord zu leugnen", sagte Moctar Kamara vom Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde.

Die Gebeine stammen zum Teil von Toten der ethnischen Gruppe der Herero, die sich zwischen 1904 und 1908 gegen die deutsche Kolonialherrschaft auflehnten. Schätzungen zufolge starben in diesem Krieg zwischen einem und zwei Drittel der Herero-Bevölkerung. Vertreter des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde sprechen in diesem Zusammenhang von Völkermord und fordern neben einer Entschuldigung der Bundesregierung auch Entschädigungen. Dabei gehe es nicht allein um Geld, sondern auch um eine Landreform, sagte Israel Kaunatjike im Namen der Initiative "Völkermord verjährt nicht". Ein Viertel des namibischen Staatsgebiets gehöre immer noch den Nachfahren deutscher Siedler.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte dazu: "Alle Bundesregierungen haben seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 die historische, politische und moralische Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia sowie das tiefe Bedauern über den grausamen Kolonialkrieg in den Jahren 1904 bis 1908 zum Ausdruck gebracht."

© Sueddeutsche.de/dpa/AFP/ipfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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