Proteste in der Türkei:Polizeigewerkschaft gibt Arbeitsbedingungen Mitschuld an Gewalt

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Tränengas und Wasserkanonen: Polizeieinsatz in Ankara (Foto: AFP)

Gewalt erzeugt Gewalt: Die Sicherheitskräfte in der Türkei greifen brutal gegen die Demonstranten durch - weil sie selbst unter starkem Druck stehen. So argumentiert ihre Gewerkschaft. Die Umstände, unter denen die Polizisten arbeiten, sollen bereits zu sechs Selbstmorden geführt haben.

Die türkische Polizeigewerkschaft hat die Einsatzbedingungen bei den seit Tagen andauernden Protesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert und eine Überlastung der Beamten beklagt.

Sechs Polizisten hätten bereits Selbstmord begangen, zitierte die türkische Zeitung Hürriyet Faruk Sezer, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Emniyet-Sen. Die Beamten seien zu 120 Stunden langen Dauereinsätzen auf den Straßen gezwungen worden.

Die Gewalt gegen Demonstranten resultiere auch aus der Gewalt, die die Polizisten selbst erfahren, sagte Sezer. Seine Gewerkschaft sammle Material, um Gerichtsverfahren gegen den Dienstherrn anzustoßen. Wegen der unverhältnismäßig brutalen Einsätze gegen Demonstranten ist die türkische Regierung international kritisiert worden.

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Zurück in der Türkei wettert Regierungschef Erdogan gegen den "Vandalismus" - und greift den Vorstandschef einer der größten Banken des Landes an. Doch einige AKP-Politiker hätten eine große Show für Erdogan wohl gerne vermieden. Sie fürchten die wirtschaftlichen Folgen seiner harten Worte.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Emniyet-Sen war im vergangenen Jahr gegen den Widerstand der Polizeiführung gegründet worden und hatte im April Jahres mehr als 7000 Mitglieder.

Erdogan will Protestlern "Lektion" erteilen

Angesichts der anhaltenden Proteste gegen seine Regierung hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Anhänger aufgerufen, den Demonstranten bei kommenden Wahlen eine "Lektion" zu erteilen. "Ich will, dass Ihr diesen Leuten auf demokratischem Weg eine erste Lektion an den Urnen erteilt", sagte Erdogan am Sonntag mit Blick auf die Kommunalwahlen im März 2014 bei einem Besuch in der südlichen Stadt Adana. In seiner Rede bezeichnete er die Protestierenden erneut als "Vandalen" und "Anarchisten".

Die Proteste in der Türkei hatte am Freitag vergangener Woche nach einer gewaltsamen Polizeiaktion gegen Demonstranten begonnen, die ein Bauprojekt im Gezi-Park am Instanbuler Taksim-Platz verhindern wollten. Seitdem weiteten sich die Proteste auf das ganze Land aus und wandten sich zunehmend gegen Erdogan, dem die Demonstranten einen autoritären Regierungsstil vorwerfen. Die Polizei setzt immer wieder Wasserwerfer und Tränengas ein. Der türkischen Ärztevereinigung zufolge wurden bei den Protesten bislang drei Menschen getötet und fast 4800 weitere verletzt.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/fran - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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