Proteste gegen Israel:Gewaltbereiter Antisemitismus

Pro Palestinian Demonstrations Are Held Throughout Europe

Demonstranten in Berlin halten Plakate hoch - die Sprüche darauf sind noch harmlos im Vergleich zu den Sprechchören.

(Foto: Adam Berry/Getty Images)

Juden sind "feige Schweine" und sollen sterben: Proteste gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen schlagen in Hass auf Juden um. Die Polizei ist überrascht und sucht nach einer Möglichkeit, den Hass einzudämmen.

Von Matthias Drobinski

Man sieht den Zug um die Ecke kommen, Palästinenserfahnen, eine Menschenmenge. Das Video, das die Szene auf Youtube dokumentiert, ist verwackelt. Erst rufen die Demonstranten "Allahu akbar", Gott ist groß. Dann wechseln die Einpeitscher ins Deutsche: "Jude, Jude, feiges Schwein - komm heraus und kämpf' allein." Man sieht Polizisten, zu wenige, um die Menge zu stoppen, die ihren Protest gegen den Krieg im Gazastreifen ansatzlos ins Antisemitische kippen lässt. Der Hass regiert den Berliner Kurfürstendamm. Übers Wochenende kommen hinzu: eine Predigt in der islamistisch orientierten Neuköllner Al-Nur-Moschee - der Imam nennt Juden die "Schlächter des Propheten", Allah möge die israelischen Soldaten alle töten. Ein Paar kommt an dem Boulevard Unter den Linden an einer Demo vorbei, der Mann trägt Kippa und ist als Jude erkennbar - sie fliehen, von Polizisten geschützt, begleitet von Rufen wie "Scheiß Juden, wir kriegen euch!" In Göttingen greifen Pro-Palästina-Demonstranten Pro-Israel-Demonstranten an.

Die Polizei ist offenbar überrascht

Es sind meist nur wenige hundert Menschen, die gegen den Krieg in Nahost demonstrieren, viele sind friedlich. Und doch bleibt als erschreckende Bilanz: In Deutschland sind Juden bedroht worden, auf offener Straße, im Zentrum Berlins. Die Polizei ist offenbar überrascht: Bei Neonazi-Kundgebungen ist sie in der Regel ausreichend vorbereitet, um solche Parolen zu unterbinden. Bei den Anti-Israel-Kundgebungen war sie es nicht.

"Wir erleben gerade eine Explosion an bösem und gewaltbereitem Judenhass, die uns alle schockiert und bestürzt", erklärt Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten Art skandiert werden können, hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten."

Lediglich eine Beleidigung

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) versichert: "In unserer Stadt ist kein Platz für Judenhass."

Den Hassprediger aus der Al-Nur-Moschee hat das American Jewish Committee angezeigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob die Parolen der Demonstranten Volksverhetzung sind. Die Chancen dafür stehen schlecht - der Tagesspiegel zitiert die vorläufige Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass "Jude, Jude feiges Schwein" lediglich Beleidigung sei. Die Berliner Polizei aber wolle die Parole künftig über das Versammlungsrecht untersagen.

Auch Frankreich diskutiert über anti-israelische Demonstrationen. Die Regierung verurteilte die Krawalle in dem von vielen Juden bewohnten Ort Sarcelles als "antisemitisch". Regierungschef Manuel Valls sagte: "Eine Synagoge oder einen koscheren Lebensmittelladen zu attackieren, ist ganz einfach Antisemitismus, Rassismus." Die Behörden hatten die geplante Demonstration gegen Israels Gaza-Offensive verboten, dennoch kamen Hunderte Demonstranten in Sarcelles zusammen. Jugendliche Täter setzten Autos in Brand, plünderten Geschäfte und bewarfen Polizisten mit Steinen.

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