Propaganda:Wer beim IS das Sagen hat

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  • Die Washington Post hat in Marokko Interviews mit ehemaligen Mitgliedern der Medienabteilung des IS geführt.
  • Das sei eine "richtige Armee an Medienleuten". Das Equipment komme aus der Türkei.

Von Paul Munzinger

Die Kämpfer sind die Posterboys des sogenannten Islamischen Staates. Unzählige martialisch inszenierte Videos zeigen die "Soldaten" der Terrormiliz, wie sie in Jeeps durch unendliche Wüsten rasen, wie sie die schwarze IS-Flagge hissen, wie sie wehrlose Opfer massakrieren. Doch nicht die Kämpfer aus den Videos sind es, die in der Terrororganisation den Ton angeben. Es sind die Menschen, die diese Videos drehen und auf der ganzen Welt verbreiten.

Die Washington Post hat in Marokko Interviews mit ehemaligen Mitgliedern der Medienabteilung des IS geführt - der "mächtigsten Propagandamaschine, die jemals eine Terrorgruppe versammelt hat". Die Männer sitzen oder saßen wegen Terrorverdachts in Haft. Ihre Aussagen vermitteln einen seltenen Einblick in das Innere der Terrormiliz und zeugen von der zentralen Bedeutung, die der Propaganda in ihrer Strategie zukommt.

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Bei Kampfszenen und öffentlichen Hinrichtungen halten sich die Männer vor der Kamera an vorgegebene Skripte. Ihren Text lesen sie vom Blatt ab, häufig braucht es mehrere Takes. Hunderte Personen arbeiten an der Produktion der Videos, jeden Tag schwärmen Kamera-Teams über das gesamte sogenannte Kalifat aus. Die Hinrichtung von 160 gefangenen syrischen Soldaten im Jahr 2014 wurde von zehn Kameramännern festgehalten.

"Das ist eine richtige Armee an Medienleuten", zitiert die Post ein ehemaliges IS-Mitglied. Viele haben Erfahrungen in der Nachrichten- oder Technologiebranche, Ausländer geben den Ton an. Das Equipment kommt aus der Türkei.

Innerhalb des IS bildet die PR-Abteilung eine privilegierte Gruppe. Die Anführer stehen im Rang eines Emirs, sie sind den Militärs gleichgestellt und in strategische Entscheidungen eingebunden. Dem Ex-IS-Mitglied zufolge sind "die Medienleute wichtiger als die Soldaten." Ihr monatlicher Verdienst sei höher, ihre Autos besser, ihre Häuser schöner. Die Soldaten beneideten sie. "Sie haben die Macht, die Kämpfer zu ermutigen und dem "Islamischen Staat" neue Rekruten zuzuführen."

Der Westen mag den IS bombardieren, schreibt die Post. Aber auf seine wichtigste Waffe, die Propaganda, habe er noch immer keine Antwort gefunden.

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