Pressefreiheit in Deutschland:Bund will Schweigerecht für seine Behörden

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Welche Informationen müssen Ministerien oder Behörden wie das Bundeskriminalamt an die Presse herausgeben? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig könnte demnächst ein Urteil fällen, das Journalisten zu Bittstellern in Pressestellen macht.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Das scharfe Schwert des Journalisten trägt einen bürokratischen Namen: Auskunftsanspruch. Auf Anfragen, die er bei einer Recherche an eine Behörde oder ein Ministerium stellt, muss er eine Antwort erhalten - nur bei wenigen Ausnahmen wie Geheimhaltung darf eine staatliche Einrichtung schweigen.

Obwohl dies nur im Landespressegesetz festgelegt ist, findet der Auskunftsanspruch auch auf Bundesebene Anwendung. Bislang konnten sich Reporter deshalb darauf verlassen, dass auch Einrichtungen wie Kanzleramt oder Bundeskriminalamt in der Regel auf Anfragen antworten.

Dass diese Gewissheit womöglich bald hinfällig ist, liegt an einer Frage, die etwa vor einiger Zeit ein Journalist an den Bundesnachrichtendienst stellte. Die war kurz, präzise und unangenehm für die Behörde formuliert: Wie viele ehemalige Nazis standen im Dienst des BND?

Der BND aber mochte darauf nicht antworten. Der Journalist zog deshalb vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig - nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts wäre der Fall klar: Der BND muss Auskunft erteilen. Alles wäre wohl seinen gewohnten Gang gegangen, wenn sich nicht mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 ein Herr in das Verfahren eingeschaltet hätte, der bislang nur juristischen Insidern bekannt gewesen sein dürfte: Ulrich Stamm, einer der " Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht".

Bald vom Wohlwollen der Pressestellen abhängig?

Der kann sich immer dann an Verfahren beteiligen, wenn die Bundesregierung als sein Dienstherr den Eindruck hat, da läuft etwas in eine falsche Richtung. So wie offenbar in diesem Fall.

In der zwölfseitigen Stellungnahme des "VBI", wie der Vertreter des Bundesinteresses abgekürzt wird, verneint der, dass die Regelungen noch Bestand haben kann, wonach die Landespressegesetzte für den Bund bindend seien. Seine Auffassung formuliert der VBI in nüchterner Klarheit: "Nach hiesiger Auffassung können Bundesbehörden weder auf Grundlage der Landepressegesetze noch aus Art. 5 Abs. 1 GG zu Erteilung von Auskünften verpflichtet werden." Die Stellungnahme liegt SZ.de vor.

Würde sich der VBI mit seiner Haltung durchsetzen, dann hätte dies eine ungeheure Sprengkraft. Journalisten wären dann vom Wohlwollen der Pressestellen abhängig. Es gibt zwar das Informationsfreiheitsgesetz, doch dessen Durchsetzung ist für Journalisten mit hohen Hürden, viel bürokratischem Aufwand und Kosten verbunden. Bisher reicht oftmals der Verweis auf die Landespressegesetze, um die gewünschten Informationen zu bekommen. Eine glatte Verweigerung ist schwer durchzuhalten.

Jetzt scheint das Gericht nicht abgeneigt zu sein, eine neue Grundsatzentscheidung zu fällen. Es ließ über seinen Sprecher verlauten, dass es gegen den föderalen Aufbau der Bundesrepublik verstoßen könne, wenn Bundesbehörden gezwungen wären, Landesgesetze zu vollziehen. Was exakt der Auffassung des VBI entspricht. Der VBI hat nicht die Macht, seine Haltung durchzusetzen, die Justiz ist unabhängig. Und doch hat die Stellungnahme in dem Verfahren ein gewisses Gewicht, das von den Richtern des zuständigen 6. Senates des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ignoriert werden kann.

Details machen stutzig

Ein wenig überraschend ist die Einmischung des VBI dennoch. Der ist zwar nur dem Bundeskabinett unterworfen, also der Bundesregierung als Ganzem, aber im Bundesinnenministerium angesiedelt. Der Bundesnachrichtendienst, der ja keine Auskunft zu früheren Nazis im eigenen Haus geben will, unterliegt jedoch dem Kanzleramt.*

Und noch ein Detail macht stutzig: Der VBI beruft sich in mehreren entscheidenden Passagen seiner Stellungnahme auf einen Aufsatz des Juristen Jan Hecker zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden auf der Grundlage von Landespressegesetzen. Hecker bezieht da klar Stellung: Bundesbehörden können nicht von Landesgesetzen zur Auskunft verdonnert werden.

Geschrieben hat Hecker seinen Aufsatz 2006 für die juristische Fachzeitschrift "Deutsches Verwaltungsblatt". Da war er noch Beamter im Bundesinnenministerium. Heute ist er Richter. Und zwar im 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes Leipzig. Jenem Gremium also, das die Sache jetzt zu entscheiden hat.

Am 20. Februar wird der Fall in Leipzig weiterverhandelt. Wann ein Urteil gefällt wird ist noch nicht klar.

Linktipps zum Thema:

  • Die Zeit: Schränkt der deutsche Staat die Pressefreiheit ein?
  • Tagesspiegel: Bleibende Fragen

*Wir hatten an dieser Stelle zunächst den BND versehentlich dem Innenministerium zugeordnet. Wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

Update (13 Uhr): Der Deutsche Journalisten-Verband hat sich inzwischen auch zu Wort gemeldet: "Der Bundesinnenminister muss seine Haltung korrigieren", forderte der Bundesvorsitzende Michael Konken. Diese basiere auf einer eigenwilligen Auslegung der Gesetzeslage zur Auskunftspflicht. "Es wäre völlig inakzeptabel, wenn es künftig vom Gutdünken einer Bundesbehörde abhängt, ob und wann welche Journalisten Auskunft von Bundesbehörden bekommen", heißt es in einer Stellungnahme.

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