US-Präsidentschaftsrennen:Jetzt fürchten die Demokraten das Parteitags-Chaos

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Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton: Schatten über dem Nominierungsparteitag. (Foto: AFP)
  • US-Vorwahlen der Demokraten: Hillary Clinton siegt hauchdünn in Kentucky, Bernie Sanders in Oregon.
  • Überschattet wird der Wahltag von einer chaotischen Parteiversammlung in Nevada.
  • Die Auseinandersetzungen dort nähren Sorgen der Demokraten, dass sich Sanders-Anhänger im Sommer nicht hinter Clinton einreihen.
  • Donald Trump siegt konkurrenzlos in Oregon.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Hillary Clinton ist faktisch nicht mehr einzuholen, doch die beiden primaries in Kentucky und Oregon beweisen erneut: Der Weg der Demokraten vom parteiinternen Vorwahlkampf zum Duell mit dem Republikaner Donald Trump verläuft weiterhin auf ungesichertem Terrain.

Im Duell mit ihrem Herausforderer Bernie Sanders steht am Dienstag vor allem Kentucky im Mittelpunkt: Beide Politiker hatten den Staat, den Clinton 2008 gewinnen konnte, fleißig bereist und mit Werbespots bespielt. Die geplagten Minen-Städte im Osten gelten als Sanders-Revier, die Städte Lexington und Louisville mit starken afroamerikanischen Anteilen als Clinton-Land.

Entsprechend entwickelt sich die Vorwahl, an der nur Parteimitglieder teilnehmen konnten, zur Hängepartie: Erst Stunden nach Schließung der Wahllokale steht die Entscheidung fest: Die ehemalige Außenministerin siegt mit nur 2000 Stimmen Vorsprung. Beide Kandidaten erhalten je 25 Delegierte.

Heftige Kritik an Sanders-Anhängern

Damit ist Clintons kleine Niederlagenserie - Sanders hatte zuletzt in West Virginia und Indiana gewinnen können - gestoppt. Doch der 74-Jährige gewinnt am Dienstag ebenfalls, und zwar den ultraliberalen Westküsten-Staat Oregon. Dort ist der Senator schon lange sehr beliebt: Bereits im vergangenen August kamen 25 000 Anhänger zu einer Veranstaltung nach Portland.

Sanders hätte in beiden Staaten deutlich siegen müssen, um die (theoretische) Aufholjagd weiterführen und um die mehr als 700 wahlberechtigten Partei-Insider ( superdelegates) umstimmen zu können. Es bleibt also alles beim Alten, ohne dass die Spitzenreiterin behaupten kann, die Partei hinter sich versammeln zu können.

Im Gegenteil: Selten war die Spaltung greifbarer als in den vergangenen Tagen. Zwar hat sich Sanders mit (größeren) persönlichen Angriffen auf Clinton zurückgehalten, doch er betont am Abend in Kalifornien, dass er nicht ans Aufgeben denkt. Es ist unübersehbar: Das Verhältnis zwischen ihm, seinen Fans auf der einen und der Parteiführung auf der anderen Seite ist zerrüttet.

Der jüngste Anlass für Verwerfungen ist der hässliche Verlauf einer Parteiversammlung in Las Vegas. Hillary Clinton hatte Nevada im Februar mit 53 zu 47 Prozent gewonnen, doch die Sanders-Kampagne hatte gehofft, durch Präsenz beim Parteitag des Bundesstaats noch offene Delegierten-Posten zu erringen.

US-Demokraten
:Warum Bernie Sanders nicht aufgibt - und wieso das gut ist

In West Virginia gewinnt der Senator die nächste Vorwahl. Auch wenn Funktionäre und Journalisten genervt sind: Wenn Sanders weitermacht, hat Hillary Clinton bessere Chancen aufs Weiße Haus.

Kommentar von Matthias Kolb, Washington

Dies scheiterte, weil 56 Anhänger nicht als Teilnehmer zugelassen wurden. Sanders-Fans protestierten daraufhin gegen die Versammlungsleitung, buhten die kalifornische Senatorin und Clinton-Fürsprecherin Barbara Boxer aus, warfen Augenzeugen zufolge Stühle und Beleidigungen durch den Raum. Sicherheitskräfte brachen die Veranstaltung schließlich ab, doch beendet war die Sache damit nicht: Die demokratische Parteivorsitzende von Nevada erhielt tags darauf Morddrohungen, die Parteizentrale wurde mit Graffiti besprüht.

Plötzlich droht den Demokraten ein chaotischer Parteitag

Die Parteiführung kritisierte das Verhalten als "inakzeptabel" und rief Sanders zu einem Machtwort auf. Der ließ verlauten, an "gewaltlose Veränderung" zu glauben, forderte aber einen "fairen Ablauf" der Delegiertenverteilung und Respekt für seine Anhänger ein. Die Parteivorsitzende Debbie Wasserman Schultz konterte, Sanders habe mit seiner Stellungnahme "Öl ins Feuer gegossen". Beide Lager wirken ineinander verkeilt, wiederholen in den Medien ihre Argumente und scheinen nicht kompromissbereit.

Obwohl Clinton drei Millionen mehr Stimmen erhielt, erscheinen die Sanderista überzeugter denn je, dass das Partei-Establishment ihren Kandidaten strukturell benachteiligt. Anhänger des Politikers haben bereits angekündigt, den Nominierungsparteitag in Philadelphia Ende Juli mit Straßenprotesten zu begleiten. Dies würde einen Schatten auf die Inszenierung zum Start des Haupt-Wahlkampfs werfen und den Eindruck einer gespaltenen Partei vermitteln.

"Wir haben uns in diesem Jahr auf Streit, Unzufriedenheit und Spaltung der Republikaner konzentriert", erklärte die linke TV-Moderatorin Rachel Maddow sichtlich besorgt, "ich frage mich, ob sich nicht die Demokraten mehr Sorgen machen müssen."

Die nächsten Kontroversen lauern

In den kommenden Tagen dürfte der Gesprächsstoff nicht ausgehen: Die private Kunsthochschule in Vermont, an der Bernie Sanders' Frau Jane einst Rektorin war, hat ihre Schließung angekündigt. Die Institution in Burlington konnte Kredite für eine Erweiterung nicht zurückzahlen, die sie noch unter Jane Sanders' Leitung aufgenommen hatte.

Hillary Clinton veröffentlichte unterdessen turnusgemäß Informationen über ihre finanzielle Situation. Demnach verdiente Ehemann Bill seit der Ankündigung ihrer Kandidatur im April 2015 insgesamt 2,4 Millionen Dollar mit bezahlten Reden.

Eine Annäherung zwischen den beiden Kandidaten wird es frühestens am 8. Juni geben, wenn die Vorwahlen in Kalifornien, New Jersey und drei anderen Bundesstaaten vorbei sind. Auch am Dienstagabend gab sich Sanders vor Anhängern in Kalifornien siegesgewiss: "Bevor wir im November die Möglichkeit haben, Donald Trump zu schlagen, müssen wir Außenministerin Clinton besiegen."

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