Präsidentschafts-Wahlkampf in Frankreich:Hollande schmiedet rot-grünes Bündnis

Lesezeit: 2 min

Noch im Oktober sah François Hollande wie der sichere Sieger der französischen Präsidenschaftswahl aus. Doch sein Vorsprung schmilzt, weil Amtsinhaber Sarkozy auf dem G-20-Gipfel eine gute Figur machte. Jetzt verbündet sich der Herausforderer mit den Grünen, inklusive Teilausstieg aus der Atomkraft. Ein riskanter Zug - die Technologie ist in Frankreich noch immer sehr beliebt.

Stefan Ulrich, Paris

Der Triumph des François Hollande war von kurzer Dauer. Im Oktober hatte er mit überwältigender Mehrheit die Urwahl der Sozialisten gewonnen. Umfragen prophezeiten ihm, er werde bei der französischen Präsidentschaftswahl im Frühjahr Nicolas Sarkozy mit großem Abstand schlagen.

Will mit einem linken Bündnis Amtsinhaber Nicolas Sarkozy aus dem Amt jagen: Der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande. (Foto: AP)

Seither ist wenig Zeit vergangen, aber viel passiert. Präsident Sarkozy profilierte sich als Griechenland-Bezwinger, Berlusconi-Bändiger und Euro-Retter auf dem G-20-Gipfel in Cannes. Hollande dagegen wirkte unentschlossen und defensiv. So fand er keine klare Haltung zu den griechischen Referendumsplänen. Das Ergebnis: Sarkozy holt in Umfragen auf. Hollande lässt nach. Die Linke wird nervös.

Nun versucht der Spitzenkandidat, wieder Tritt zu fassen. Am Dienstag konnte Hollande überraschend ein Wahlbündnis zwischen seinen Sozialisten und den Grünen vermelden. Am Mittwoch stellte er sein Wahlkampfteam vor. Die Zeit der "medialen Diät", die er sich nach seinem Vorwahlsieg verordnet hatte, scheint vorbei zu sein.

Zum Chef seiner Kampagne hat Hollande den früheren Europaminister Pierre Moscovici ernannt. Der 54 Jahre alte Abgeordnete war lange ein Anhänger des über die Zimmermädchen-Affäre gestürzten Dominique Strauss-Kahn. Nach dessen Rückzug aus der Politik schwenkte Moscovici ins Lager Hollandes. Martine Aubry, die Parteichefin der Sozialisten, übernimmt die Verantwortung für das politische Konzept des Wahlkampfes. Der Parteirechte Manuel Valls wird sich um die Kommunikation kümmern.

Auffallend ist, wie Hollande versucht, alle Flügel der Sozialisten einzubinden, um zu verhindern, dass Kandidat und Partei aneinander vorbeikämpfen, wie das in der Vergangenheit mehrfach geschah. So führte Ségolène Royal, die Gegenkandidatin Sarkozys im Jahr 2007, ihren Wahlkampf mehr oder weniger ohne die Partei. Royal wird jetzt zwar nicht selbst im Team ihres früheren Lebensgefährten Hollande vertreten sein, wohl aber durch einige ihrer Vertrauten.

Hollande, so versichern seine Mitarbeiter, lege Wert auf einen professionellen Auftritt. Daher habe er zwei frühere Präfekten rekrutiert, die sich um Sicherheit, Logistik und die Verbindung zu den Behörden kümmern sollen. Das Team will noch in diesem Monat in einem Büro in der Pariser Rue de Grenelle die Arbeit aufnehmen und sich in den Kampf gegen Sarkozy stürzen.

Grüne stellen eigene Präsidentschaftskandidatin

Helfen dürfte Hollande dabei, dass die Sozialisten - anders als bei früheren Wahlkämpfen - ein Bündnis mit den Grünen geschlossen haben. Es soll nach den Wahlen im Frühjahr in eine Koalition im Parlament münden. Ob sich Grüne Politiker auch an einer Regierung der Sozialisten beteiligen würden, ist noch offen. Bei der Präsidentschaftswahl wird jedenfalls auch eine grüne Kandidatin, die frühere Untersuchungsrichterin Eva Joly, antreten. Bei der Stichwahl könnten die Grünen aber dann ihre Wähler auffordern, für Hollande zu votieren.

Die beiden Parteien einigten sich am Mittwoch darauf, dass die Grünen bei der ebenfalls im Frühjahr angesetzten Wahl zur Nationalversammlung so viele sichere Wahlkreise erhalten, dass sie mit bis zu 30 Abgeordneten rechnen dürfen. Inhaltlich verständigten sich Sozialisten und Grüne, die Rente mit 60, die Sarkozy abgeschafft hatte, für einige Gruppen von Arbeitnehmern wieder einzuführen.

Atomstrom-Anteil soll auf 50 Prozent gesenkt werden

Zudem gelang ein Kompromiss in der umstrittenen Frage eines Atomausstiegs. Sozialisten und Grüne vereinbarten, Frankreich solle bis 2025 insgesamt 24 seiner 58 Atomkraftwerke abschalten, darunter das dicht an der Grenze zu Deutschland gelegene Fessenheim. Der Anteil des Nuklearstroms an der Stromproduktion soll von 75 Prozent auf 50 Prozent sinken. Hollande bestand jedoch darauf, dass ein Reaktor der so genannten dritten Generation im normannischen Flamanville fertiggebaut wird.

Die Rechte in Frankreich reagierte harsch auf die Pläne. Premier François Fillon sagte, "so werde einer der wenigen Wettbewerbsvorteile Frankreichs geopfert". Andere Regierungsvertreter warnten, der Rückbau der Atomindustrie beende die Unabhängigkeit bei der Energieversorgung und mache Frankreich von Russland und dem Nahen Osten abhängig. Außerdem seien Hunderttausende Jobs in Gefahr, und Strom werde teurer.

Die Grünen verweisen dagegen auf Deutschland, das sich vom Atomausstieg und der Förderung erneuerbarer Energien auch wirtschaftliche Vorteile verspreche. Im nuklearfreundlichen Frankreich werden solche Argumente jedoch noch nicht gern gehört.

© SZ vom 17.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: