Pofallas Abschied aus der Politik:Und tschüss

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Ronald Pofalla verabschiedet sich aus der Politik (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Er verlässt die Regierung nach dem besten Wahlergebnis der CDU in 20 Jahren: Ronald Pofalla sagt Adieu ohne Wahlniederlage und ohne dass ein Skandal ihn aus dem Amt gepustet hätte. Das ist außergewöhnlich. Doch der Ex-Politiker hat noch eine zweite, ziemlich andere Seite.

Von Stefan Braun, Berlin

Ronald Pofalla geht. Angela Merkels politischer Weggefährte verlässt das Kanzleramt. Er verlässt die Regierung, er verlässt überhaupt die erste Reihe der Politik. Und das nach dem besten Wahlergebnis der CDU in 20 Jahren. Nach Koalitionsverhandlungen, die er koordiniert hat. Nach einem politischen Leben, das mit einem großen Fachministerium hätte gekrönt werden können. Pofalla, 54 Jahre alt, sagt Adieu ohne Wahlniederlage und ohne dass ein Skandal ihn aus dem Amt gepustet hätte. So etwas ist außergewöhnlich.

Also stellen sich Fragen: Hat er sich mit der Kanzlerin überworfen? Hat er nicht bekommen, was er wollte? Oder hat es ihn erschöpft, fast immer als böser Bube beschrieben zu werden? Darauf gibt es nur teilweise klare Antworten. Mit Merkel, so viel steht fest, hat es keinen Ärger und keinen Krach gegeben. Seit 1992 ist Pofalla in unterschiedlichen Rollen an ihrer Seite gewesen. Als sie 1991 Frauenministerin wurde, saß er im entsprechenden Bundestagsausschuss und fing an, mit ihr zusammenzuarbeiten. Von da an wuchs eine Nähe, die auch kritische Phasen überstand, insbesondere als ausgerechnet die Anwaltskanzlei, in der Pofalla arbeitete, Helmut Kohl in der Spendenaffäre vertrat.

Als Angela Merkel 2002 Fraktionsvorsitzende wurde, machte sie Pofalla zum Justiziar der Fraktion, 2005 wurde er Generalsekretär, 2009 kam er ins Kanzleramt. Das waren stets zentrale Ämter. Wichtiger aber war, was sich hinter dieser Oberfläche abspielte: Pofalla gehörte seit 20 Jahren zu den engsten politischen Freunden, also zu den wenigen, die sich umfassend in Merkels Dienst stellten und mit ihr auch sehr leidenschaftlich über Kurs und Linie diskutierten. Ohne ein paar CDU-Politiker wie Pofalla wäre es für Merkel kaum möglich gewesen, im Kampf mit den alten Junge-Union-Freunden um Roland Koch, Christian Wulff und Peter Müller zu obsiegen. Als sein Abschied am Donnerstag feststand, gab es Tränen, bei Pofalla und bei Merkel.

Unstrittig ist freilich, dass Pofalla über Jahre eine Art Lieblingsministerium im Kopf hatte. Wenn man ihn mal in einer ruhigen Minute sprechen konnte, spürte man seine Leidenschaft für das Arbeitsministerium. Auch wenn er anders wahrgenommen wurde - etwas Soziales zu machen, wäre ihm das Liebste gewesen. Er ist nicht nur Volljurist und Anwalt. Er ist auch studierter Sozialpädagoge, eine Ausbildung, die er sich nach der mittleren Reife erkämpft hat. Doch nach Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der SPD war klar, dass sein Traum unerfüllt bleiben würde. Hätte Merkel ihm nicht andere, sondern dieses Ministerium antragen können, wäre ihm ein Nein wohl schwerer gefallen.

Die Rolle zermürbte ihn

Im Übrigen steht fest, dass ihm seine Rolle als Prügelknabe neben Merkel eine Weile egal war, weil er auch damit ihrem Erfolg diente. Ein Kanzleramtsminister ist im Krisenfall Blitzableiter, ohne im Erfolg zum Ausgleich belohnt zu werden. Zuletzt aber schien ihn diese Rolle doch mürbe zu machen. Zumal er im Zuge der NSA-Affäre wie ein besonders resoluter Oberkontrolleur der Nachrichtendienste auftrat, die Affäre lautstark für beendet erklärte - und dann lernen musste, dass auch Merkels Handy abgehört wurde. Er wusste, dass das öffentlich wie ein GAU für ihn wirkte.

Doch all das reicht nicht als Erklärung für den Rückzug. Denn Pofalla hat entgegen aller öffentlichen Wahrnehmung noch eine zweite, ziemlich andere Seite. Das konnte man nicht in Berlin erleben; dazu musste man ihn zu Hause in Kleve in Nordrhein-Westfalen besuchen. Da war er auch Familienmensch, und zwar einer, der sehr warmherzig von seinen Eltern erzählte; wie diese - sie als Putzfrau, er als Holzarbeiter und Wachmann - ihr knappes Geld verdienten. Als seine Mutter früh an Krebs starb, war er es, der sich besonders kümmerte. All das hat ihn mehr geprägt, als das allgemein bekannt ist. Und dann scheiterte mitten im Berliner Starkstrom-Leben zwischen Generalsekretärsjob und Kanzleramt seine zweite Ehe. Schleichend hat das in ihm das Gefühl wachsen lassen, irgendwann müsse es neben dem Politiker- auch noch ein anderes Leben geben. Seit einiger Zeit hat er wieder eine Lebensgefährtin, eine Anwältin aus Nordrhein-Westfalen. Damit verbinden sich Hoffnungen, die er nicht mehr aufs Spiel setzen möchte.

Für Merkel ist das ein großer Verlust. Aber keine Katastrophe. Sie bekommt die gleiche Leidenschaft und Loyalität mit anderem Namen: Peter Altmaier wird Pofalla nachfolgen.

© SZ vom 16.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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