Parteitag der Linken in Dresden:Kippings Feind ist grün

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"Da muss man schon Angst haben, wenn die den Außenminister stellen": Linken-Chefin Katja Kipping wettert auf dem Parteitag in Dresden gegen die Grünen und bekommt dafür tosenden Applaus. Anders als ihr Co-Vorsitzender Bernd Riexinger reißt sie die Delegierten mit. Nur einer macht nicht mit.

Von Antonie Rietzschel, Dresden

Linke-Chefin Katja Kipping wettert gegen die Grüne und andere. (Foto: dpa)

Oskar Lafontaines Hände ruhen. Während die Delegierten um ihm herum laut applaudieren, liegen seine Hände im Schoß. Vorn auf der Bühne steht Katja Kipping und hackt mit ihren Händen in der Luft herum, als wolle sie damit jedes Wort ihrer Rede unterstreichen. Gerade hat sie noch mal erklärt, dass die Linke nicht für den Austritt aus dem Euro sei. Erst gestern hatte Oskar Lafontaine seine Forderung nach einer Ausstiegsmöglichkeit aus dem Euro erneuert. Nun wird er von seiner Parteichefin in die Schranken gewiesen.

Doch tosenden Applaus erhält Kipping ohnehin mit anderen Themen. Den ersten, als sie in ihrer Rede einen der zentralen Gegner der Linken benennt: die Grünen. Kipping bezeichnet eine Koalition der Partei mit der Union als eine reale Gefahr. "Wer grün wählt, hält die CDU an der Macht", sagt sie. Eine gemeinsame Regierung mit der Linken hätten die Grünen hingegen genauso wie die SPD kategorisch ausgeschlossen.

Doch noch etwas anderes stört Kipping an den Grünen: Die seien keine Friedenspartei mehr. Sie hätten sich von "grün zu olivgrün" umgefärbt, weil sie Kriege mit Menschenrechten begründeten. "Da muss man schon Angst haben, wenn die den Außenminister stellen." Gelächter. Am Vortag hatte sich Bernd Riexinger an der SPD abgearbeitet. Besonders das Reizwort Steinbrück hatte ihm in der sonst schwachen Rede Zwischenapplaus eingebracht. Die beiden Vorsitzenden teilen sich die Aufgabe des Parteienbashings.

Doch einen Seitenhieb auf die SPD kann sich dann auch Kipping nicht verkneifen. Er beschert ihr auch den stärksten Moment ihrer Rede. Sie empört sich darüber, dass sich die Sozialdemokraten während ihres 150. Jubiläums dafür gefeiert hätten, vor der Machtergreifung der Nazis als einzige Partei gegen die Ermächtigungsgesetze gestimmt zu haben. "Sie haben verschwiegen, dass die Kommunisten damals bereits von den Sitzungen des Reichstags ausgeschlossen waren", ruft Kipping. Dass sie das für einen zweifelhaften Umgang mit der Vergangenheit halte, dieser Satz geht völlig in Bravo-Rufen und Applaus unter.

Von der Kinderschaukel zur sozialen Gerechtigkeit

Kipping hat sich mühsam an Momente wie diesen herangearbeitet: Zu Beginn erzählt die gebürtige Dresdnerin, dass die Lieblingsschaukel ihrer Tochter nicht weit vom Tagungsort entfernt sei. Da tippen einige Delegierte noch gelangweilt auf ihren Telefonen herum. Daran ändert sich auch nicht viel, als sie mit zusammengefalteten Händen und leiser Stimme die Geschichte eines Sozialhilfeempfängers erzählt, dessen Mutter gestorben war. Vom Amt sei ein Brief bei ihm eingegangen, in dem eraufgefordert wurde, die Kontostände seiner Mutter offenzulegen. "Kein Wort des Beileids", sagt Kipping mit brüchiger Stimme.

Doch dann genug der sanften Töne, als sie vom Sozialhilfeempfänger zu Millionären kommt, die große Erbschaften antreten, wettert sie plötzlich mit lauter Stimme: "Es gibt eine Schamgrenze nach unten, aber auch eine nach oben." Mit lockeren Sprüchen wie: "Nur im Fußball schlägt mein Herz schwarz-gelb. Glückwünsche an Dynamo Dresden für den Klassenerhalt", bringt sie zudem die Delegierten zum Lachen.

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Genauso wie Riexinger am Vortag erklärt Kipping dann gegen Ende der Rede, es sei der Verdienst der Linken, dass die anderen Parteien jetzt sozialer reden. "Wir werten das als Erfolg." Dann ruft sie: "Die Linke macht den Unterschied."

Wie der aussieht, sagt sie nicht. Wie grenzt sich eine Partei wie die Linke ab, wenn selbst die CDU über geringere Mieten und Mindestlohn diskutiert? Aber um diese Frage geht es während Kippings Auftritt nicht. Es geht um das Gefühl der Einheit. Vor einem Jahr stürzten die Grabenkämpfe vor und während des Parteitags in Göttingen die Linke fast ins Chaos. Kipping und ihr Co-Vorsitzender Riexinger haben Ruhe in die Partei gebracht, der große Streit ist in Dresden bislang ausgeblieben.

Und die Parteichefin erhält nach ihrer Rede minutenlangen Applaus. Als die Delegierten schließlich aufstehen, zögert in den vorderen Reihen nur einer für einen kurzen Moment: Oskar Lafontaine. Er schaut sich um, sieht, dass der Parteivorstand bereits steht, erhebt sich ebenfalls.

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