Oskar Lafontaine:Der doppelte Fraktionschef

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Gegen eine "Mafia" von Neoliberalen und gegen Hartz IV: Wie Oskar Lafontaine die Eröffnung des saarländischen Landtags als Bühne nutzt und wovon das Schicksal der Linken abhängt.

Daniel Brössler

Nach gutem Brauch sortieren sich die Abgeordneten des saarländischen Landtags zumindest in der ersten Sitzung nicht nach Fraktionen. Platziert werden sie streng nach Alphabet.

Spitzenkandidat der Linken, Oskar Lafontaine, bei einer Wahlkampfkundgebung in Leipzig. (Foto: Foto: Seyboldtpress)

So ergibt es sich an diesem Mittwoch, dass der Abgeordnete Oskar Lafontaine in der dritten Reihe zu sitzen kommt zwischen der Kollegin Helma Kuhn-Theis zur Rechten und dem Kollegen Hans Ley zur Linken. Beide sind von der CDU, was der Stimmung nicht abträglich ist. Es wird geplaudert, man kennt sich ja. Bis vor elf Jahren war Lafontaine saarländischer Ministerpräsident - und Abgeordneter des Landtags, dem er nun wieder angehört.

Es trifft sich, dass die konstituierende Sitzung kurz vor die Bundestagswahl fällt. So kann Lafontaine, der im Landtag wie auch im Bundestag Fraktionschef der Linken ist, in vertrauter Umgebung Erfolge genießen - jene, die er erreicht hat und jene, die fast greifbar vor ihm liegen.

Der Plan geht auf

Schon erreicht hat er bei der Landtagswahl ein triumphales Ergebnis von 21,3 Prozent. Bei der Bundestagswahl kann er auf ein Resultat von mehr als zehn Prozent hoffen. Gelassen und heiter wirkt Lafontaine. So wie einer, der sich über einen Plan freut, der aufgeht. Nur den Plan selbst, den trägt er nicht vor sich her.

Das ist auch nicht nötig. Nicht für den Bundestagswahlkampf jedenfalls. Hier lässt sich die Botschaft reduzieren auf den Satz: Wir gegen alle. Da wackelt Lafontaine nicht, auch nicht am Tag vor der harmonischen Landtagssitzung. Auf dem Gustav-Regler-Platz vor der Saarbrücker Stadtbibliothek haben sich mehrere hundert Getreue versammelt. Den "lieben Saarländerinnen und lieben Saarländern" preist Lafontaine die Linke als "einzige Kraft", welche die Interessen der Rentner, der Arbeitnehmer, der sozial Schwachen wahre.

Er beklagt, wettert, fleht

Er spricht über die "Alleinstellung" seiner Partei, die als einzige sage: "Hartz IV muss weg." Er beklagt die "schleichende Enteignung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", er wettert gegen eine "Mafia" von Neoliberalen, die sich gegen die Rentner verschworen hätten und gegen die "Banken, die sich ihre Gesetze selbst machen".

Sein ganzes Können aber zeigt Lafontaine erst, als er über die Spenden großer Konzerne an die anderen Parteien spricht, von denen die Linke nichts kriege und nichts wolle. Da breitet er die Arme weit aus, setzt eine Unschuldsmine auf und ruft: "Habt Mitleid und gebt uns wenigstens Eure Stimme."

Nach 51 Minuten ist Lafontaine am Schluss, hat über Soziales, über den Krieg in Afghanistan und die Demokratie an sich geredet. Nun sagt er nur noch: "Machen Sie die Linke stark, damit Deutschland sozialer und wieder friedlicher wird." Als einzige Bundestagspartei kämpft die Linkspartei ausdrücklich nicht für eine Teilhabe an der Regierung, sondern um einen möglichst großen Platz in der Opposition. Die Linke verändere die Politik durch ihre schiere Anwesenheit, lautet der argumentative Kniff. Bisher funktioniert er. "Oskar, Oskar, Oskar", skandiert die Menge.

Zukunft seiner Partei hängt von der alten Partei ab

Der Gefeierte weiß freilich, dass das Schicksal der Linken nicht allein vom eigenen Abschneiden bei der Bundestagswahl abhängt. In Interviews bekennt Lafontaine, die große Koalition sei "für die Bevölkerung und vor allem für die Arbeitnehmer besser als Schwarz-Gelb". Und für die Linke vermutlich auch, wenngleich der Parteichef das weglässt. Landet die SPD in der Opposition, dürfte die Linkspartei jedenfalls einiges an "Alleinstellung" verlieren.

Wie es Lafontaine dreht und wendet, die Zukunft seiner neuen Partei hängt auch von seiner alten ab. Diese sammelt sich in nur 300 Metern Entfernung auf dem Tiblisser Platz. Dort spricht Frank-Walter Steinmeier. Die Linke erwähnt er mit keinem Wort, vielleicht weil er sonst umständlich erklären müsste, weshalb sie an der Saar als Koalitionspartner umworben, im Bund aber ausgeschlossen wird.

Der Abgeordnete, der tags darauf in der dritten Reihe des Landtags sitzt, will diese Koalition - und man darf annehmen, dass er sie nicht nur aus Liebe zum Saarland will. Lafontaine ist Bundespolitiker und bleibt es auch, während Landtagspräsident Hans Ley von der CDU in seiner Antrittsrede über die organisatorischen Schwierigkeiten spricht, die das Anwachsen auf fünf Fraktionen mit sich bringt. "Es ist unvermeidbar, dass sich zahlreiche Abgeordnete zunächst Büroräume teilen werden", führt Ley aus.

Persönliche Verhandlungen

Er redet auch darüber, dass der saarländische als der kleinste aller Landtage genauso viele Aufgaben zu bewältigen habe wie die großen und welche Verantwortung die Föderalismusreform I mit sich bringt.

Lafontaine lauscht höflich. Nur manchmal prüft er sein Handy oder wechselt ein paar Worte mit der Nachbarin von der CDU. Vermutlich bleibt auch Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen über ein für den Nachmittag im Restaurant Hofhaus in Saarlouis angesetztes Treffen. Es ist das erste Sondierungsgespräch mit dem saarländischen Grünen-Chef Hubert Ulrich, der sich bislang auch eine Koalition mit CDU und FDP offen hält. Lafontaine hat angekündigt, die Verhandlungen für seine Partei bis zum Ende persönlich zu führen. Danach wird im Landtag von Saarbrücken wieder ein Platz frei.

© SZ vom 24.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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