Neuwahlen in Österreich:Wenn die Partei zur Ich-AG wird

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Österreichs Außenminister Kurz hat seine ÖVP ganz auf sich ausgerichtet. Die Konkurrenz wird sich einer extremen Personalisierung des Wahlkampfs schwer entziehen können.

Kommentar von Cathrin Kahlweit, Wien

Sebastian Kurz ist zwar offiziell der neue Parteichef der alten ÖVP. Aber eigentlich kann man ihn gar nicht guten Gewissens als solchen bezeichnen. Denn die ÖVP gibt es nicht mehr, sie ist rasend schnell zu einem Kanzlerwahlverein mutiert und auf eine Person zugeschnitten worden, die Sebastian Kurz heißt. Der Außenminister hat mit seiner "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" eine Blaupause für die Entkernung von Parteien alten Stils vorgelegt, die Vorbildcharakter haben wird, im Guten wie im Schlechten.

Durch die Öffnung nach außen soll die Basis verbreitert, alte Machtblöcke sollen geschwächt werden. Die Partei, falls man sie noch so nennen darf, wird moderner, schlagkräftiger, beweglicher, zugkräftiger werden. Das ist gewollt - und nötig. Andererseits wird mit dieser Verwandlung der Partei in eine One-Man-Show einer Personalisierung Vorschub geleistet, die in ihrer Radikalität bedrohlich ist. Natürlich werden bei Personal und Programm immer noch viele Menschen mitreden, und auch die Länderchefs lassen sich sicher nicht in ihre Austragshäusl zwingen. Innen drin ist die ÖVP weiter eine Interessengemeinschaft, die sich zur Durchsetzung ihrer Ziele hinter einem starken Anführer versammelt, dem sie dafür viel Macht überträgt. Außen drauf steht aber nur noch: Kurz.

Die Konkurrenz wird sich der Personalisierung nicht entziehen

Die ersten Erfolge der neuen Ich-AG, die im Hintergrund auch mit Druck und Interventionen bei Medien und Parteifreunden erkauft wurden, geben ihm - fürs Erste - recht. Kurz ist ein strategischer Kopf, der seinen eigenen Marktwert kennt und einsetzt. Geschickt befeuert er den Hype um seine Person, und er wird schlau genug sein, um daraus weiter Profit zu schlagen.

Für die österreichische Demokratie ist das ein spannendes Experiment. Vor Jahren gründeten sich die Neos als liberale, junge Bewegung; ein Großteil der Aktivisten waren frustrierte ÖVP-Anhänger oder Funktionäre. Die kleine Partei, die heute immerhin im Parlament sitzt, hat vieles von dem getan, was Kurz jetzt verspricht: Experten geholt, Politikinteressierte jedweder Herkunft angesprochen, Basisdemokratie geübt. Aber sie hat keinen Sebastian Kurz. Geht also moderne Parteipolitik, wenn sie erfolgreich sein will, nur mit Heldenmythen und Heilsbringerstatus?

Kurz bringt die Konkurrenz in argen Zugzwang; sie wird sich einer extremen Personalisierung des Wahlkampfs nicht entziehen können und ihre Kampagnen auf die Männer an den Parteispitzen ausrichten. Schon jetzt bejubeln die Medien einen spannenden Wettkampf zwischen den Alphatieren Sebastian Kurz, Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern sowie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Denn auch Kern ist ein talentierter Verkäufer, kluger Stratege und hervorragender Kommunikator. Und Strache liegt zwar bei den Sympathiewerten abgeschlagen hinter Kurz und Kern, aber auch er kann Selbstinszenierung und Pomp.

Auf Dauer wird sich dem Personality-Showdown niemand entziehen können. Der Wahlkampf dürfte hart und effekthascherisch werden.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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