Obama und Medwedjew:Gleichgewicht und Glaubwürdigkeit

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Obama braucht Fortschritte bei der Abrüstung, doch Medwedjew fallen Zugeständnisse schwer. Schon ein Minimalkompromiss wäre ein Erfolg.

P.-A. Krüger

Gemessen an der Vision einer Welt ohne Atomwaffen, die US-Präsident Barack Obama bei seiner Prager Rede im April verkündet hat, erscheint das Ergebnis seines Treffens mit Russlands Präsidenten Dmitrij Medwedjew als herbe Enttäuschung. Zwar bekennen sich beide erneut zur Abrüstung, was ebenso begrüßenswert ist wie die Tatsache, dass bis 2012 noch einmal ein gutes Drittel der aktiven Atomsprengköpfe außer Dienst gestellt wird.

Gipfeltreffen in Moskau: Obama braucht Fortschritte bei der Abrüstung, aber Medwedjew fallen Zugeständnisse schwer. (Foto: Foto: dpa)

Doch liegt die neue Obergrenze nur knapp unter dem, was George W. Bush und Wladimir Putin schon 2002 als Ziel vereinbart hatten. In der brenzligen Frage, wie viele Raketen und Bomber jede Seite künftig besitzen darf, blieb den Präsidenten nichts anderes übrig, als die alten Positionen festzuhalten - und damit öffentlich zu dokumentieren, dass ihre Unterhändler sich seit April kein Stück angenähert haben.

Es wäre aber falsch, Obamas Vision zum Maßstab zu erheben. Die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für den Start-1-Vertrag stehen unter Termindruck und gehorchen politischen Zwängen. Da wäre bereits ein Minimalkompromiss bis Jahresende ein Erfolg. Scheiterten die USA und Russland gar, wäre das ein böses Omen für die Abrüstungsbemühungen in der ganzen Welt.

Seit George Bush senior und Michail Gorbatschow 1991 den Start-1-Vertrag unterzeichnet hatten, dümpelten die Abrüstungsverhandlungen der beiden Supermächte von einst dahin. Für Bush junior war Rüstungskontrolle ein Relikt des Kalten Krieges, das die militärische Überlegenheit Amerikas einschränkt. Deswegen hat er den ABM-Vertrag gekündigt, der jeder Raketenabwehr enge Grenzen setzte. Das war ein klares Zeichen. Und niemand machte sich Gedanken darüber, was nach dem Auslaufen des Start-Vertrages am 5.Dezember geschehen sollte.

Obama ist bereit, die militärische Macht der USA durch Verträge einzuhegen. Das allein ist schon ein Signal an ein Russland, dessen Potential noch immer schwindet. Die Chance, die darin liegt, hat Medwedjew erkannt. Doch müssen die beiden Präsidenten nun binnen Monaten die Versäumnisse von 18 Jahren wettmachen, wenn sie verhindern wollen, dass schon am 6. Dezember 95 Prozent aller Atomwaffen keinen rechtlich bindenden Regeln mehr unterworfen sind.

Wenn der Start-Vertrag ausläuft, würde zwar nicht sofort ein Wettrüsten beginnen, wohl aber wären die Annäherung zwischen den USA und Russland gefährdet und weitere Abrüstungsschritte stark erschwert. Solche Verträge auszuhandeln hat in der Vergangenheit Jahre in Anspruch genommen, weil sie komplexe Auswirkungen auf die gesamte Verteidigungsplanung haben.

Selbst der US-Präsident kann nicht einfach beschließen, die Hälfte aller Bomber und Raketen zu verschrotten, solange sie auf konkrete Ziele gerichtet sind - wie unrealistisch diese Einsatzszenarien auch sein mögen. Auch muss sich Obama mit den Verbündeten beraten, die unter dem Schutzschirm der nuklearen Abschreckung leben. Diese Abstimmungsprozesse dauern - mindestens bis Jahresende. Zudem ist Obama auf die Zustimmung von zwei Dritteln des Senats angewiesen, und seine Russland- und Abrüstungspolitik gefällt keinesfalls allen Republikanern. Vom Thema Raketenabwehr wird er also die Finger lassen, bis der Vertrag ratifiziert ist. In Russland aber sieht das Militär eben jenen Raketen-Schild als größte Bedrohung für das strategische Gleichgewicht, und Medwedjew wird es schwer haben, eine Einigung ohne echte Zugeständnisse in dieser Frage zu Hause zu verkaufen.

Gemessen an diesen Zwängen können die Präsidenten schon zufrieden sein, wenn sie bis Jahresende einen Vertrag erreichen, auch wenn er nicht als Sensation bejubelt würde. Für Obama ist dieser Erfolg wichtig, weil die Welt seit Prag seine Glaubwürdigkeit mit dem Abrüstungsversprechen verbindet.

© SZ vom 8.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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