NSU-Prozess:Zschäpe will Psychiater im Mai reden lassen

Fortsetzung NSU-Prozess

Die Angeklagte Beate Zschäpe im Oberlandesgericht neben ihrem Anwalt Mathias Grasel.

(Foto: dpa)
  • Zschäpes Psychiater soll am 3. und 4. Mai auf Initiative der Verteidigung als Sachverständiger aussagen.
  • Das Gericht hatte Psychiater Joachim Bauer nur als Zeuge hören wollen - was Zschäpe verhinderte.
  • Nach eigenen Angaben hat Bauer die mutmaßliche NSU-Terroristin bislang honorarfrei begutachtet, "um unabhängig zu sein".

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Den Inhalt des 48-seitigen Gutachtens kennen bisher nur Beate Zschäpe und ihre beiden Verteidiger, Mathias Grasel und Hermann Borchert. Das Ergebnis hat Grasel aber schon verraten: Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer sieht bei der mutmaßlichen NSU-Terroristin im Zeitraum der zehn überwiegend rassistisch motivierten Morde, der zwei Bombenanschläge, 15 Raubüberfälle, der schweren Brandstiftung und versuchten Morde eine schwere Persönlichkeitsstörung und damit die Voraussetzung für eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Es ist eine bislang exklusive Einschätzung, zu der Psychiater Bauer gekommen ist, nachdem er insgesamt zwölf Stunden lang mit Zschäpe gesprochen hat.

Am 3. und 4. Mai soll Bauer nun sein Gutachten im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München vorstellen - nicht im Auftrag des Gerichts, sondern im Auftrag der Verteidigung. Dieser Plan der Verteidiger ist am Mittwoch, dem 356. Verhandlungstag, bekannt geworden.

Das Gericht hatte Bauer eigentlich schon an diesem Donnerstag hören wollen, allerdings bloß als Zeuge. Die Richter waren damit dem Antrag der Verteidigung, Bauer als Sachverständigen zu hören, zunächst nicht nachgekommen. Das Gericht wollte offenkundig lediglich wissen, was Zschäpe dem Psychiater erzählt hat. Dass Bauer zu einer Diagnose einer sogenannten abhängigen Persönlichkeitsstörung gekommen ist, schien die Richter weniger zu interessieren. Zschäpe reagierte prompt. Sie weigerte sich, Bauer unter diesen Umständen von der Schweigepflicht zu befreien. Die Folge: Bauer hätte als Zeuge nichts über das Gespräch mit Zschäpe sagen dürfen. Das Gericht sagte seinen Auftritt also wieder ab.

Grasel und Borchert wollen nun selbst dafür sorgen, dass Bauer vor Gericht sein Gutachten erstattet. Auf ihre Initiative hin soll er Anfang Mai vor Gericht verraten, was Zschäpe ihrem Psychiater Neues über ihre Mutter, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt berichtet hat und wie Bauer darauf kommt, dass sie im Falle ihrer Verurteilung womöglich nur eingeschränkt schuldfähig ist, also für ihre mutmaßliche Mittäterschaft an den NSU-Verbrechen nicht voll zu Verantwortung gezogen werden sollte.

Psychiater Bauer hat Zschäpe honorarfrei begutachtet

Der vom Gericht beauftragte Psychiater Henning Saß war in seinem Gutachten zum gegenteiligen Ergebnis gelangt. Saß sieht bei Zschäpe keinerlei Anhaltspunkte für eine psychische Störung vorliegen. Sie sei voll schuldfähig, wie er dem Gericht bereits erläutert hat. Zschäpe hat mit Saß nie gesprochen. Dem Gerichtspsychiater blieben als Grundlage für sein Gutachten die Beobachtung der Hauptangeklagten in fast vier Jahren Prozess, Zehntausende Aktenseiten und Hunderte Zeugenaussagen.

Auf seiner Internetseite hat Zschäpes Psychiater Bauer unterdessen in einem nicht datierten "Hinweis aus aktuellem Anlass" verraten, dass er Zschäpe honorarfrei begutachtet hat - "um unabhängig zu sein", wie es dort heißt. Anders wäre es, sollte das Gericht ihn entschädigen. Auch das ist dort zu lesen.

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