NSU-Prozess:Zschäpe ist schon jetzt nicht mehr gefährlich

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Beate Zschäpe betritt am 10. Januar den Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München. (Foto: dpa)

Sollte die Angeklagte im NSU-Prozess nach einer Verurteilung in Sicherungsverwahrung? Nein, denn gefährlich war sie nur mit ihren mörderischen Verbündeten - jetzt ist sie vor allem: allein.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Seit dem Oktober schon versucht das Oberlandesgericht München den Sachverständigen zu hören, der die Angeklagte Beate Zschäpe seit fast vier Jahren beobachtet und herausfinden soll, ob sie schuldfähig ist. Er soll dem Gericht zudem raten, ob sie möglicherweise auch in Sicherungsverwahrung muss, falls sich der Hang zu rechtsradikalen Straftaten so bei ihr eingegraben hat, dass er auch in Haft nicht therapierbar ist.

Bisher hat die Verteidigung alles unternommen, um den Gutachter zu verhindern, nun endlich konnte der Psychiater Henning Saß sein Gutachten vor Gericht vorstellen. Und man kann nun nachempfinden, warum die Verteidigung sich so gesperrt hat.

Bereits aus seinem schriftlichen Vor-Gutachten weiß man: Der Psychiater hält Zschäpe für voll schuldfähig. Er sieht sie nicht als schwaches Frauchen, das sich nicht aus den Fängen ihrer mörderischen Männer befreien konnte, sondern als selbstbewusstes Mitglied der Terrorgruppe NSU. Das deckt sich mit den Eindrücken, die Zschäpe in den mittlerweile 336 Prozesstagen im Gerichtssaal hinterlassen hat. Und: Der Psychiater sieht bei ihr einen stetig gravierender werdenden Hang zu Straftaten. Er machte recht deutlich, dass er all ihre Erklärungen nur für die Abschiebung von Verantwortung auf ihre toten Gefährten hält, für Verharmlosung und selbst das angebliche Bedauern der Taten ist für ihn nur eine vorgeschobene Floskel, unpersönlich und wenig emotional.

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Mit der Einschätzung des Gutachters steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Zschäpe eine lebenslange Strafe erhält, und angesichts von zehn Morden würde das Gericht dann auch die besondere Schwere der Schuld erkennen. Das allein schon bedeutet, dass Zschäpe mindestens 20, wenn nicht 25 Jahre in Haft bleibt, bevor überhaupt geprüft wird, ob von ihr noch eine Gefahr ausgeht. Die heute 42 Jahre alte Zschäpe wird dann um die 60 sein - denn die fünf Jahre Untersuchungshaft, die sie bisher schon abgesessen hat, werden mitgezählt.

Zschäpe ist keine rechte Ikone

Psychiater Saß sieht dennoch die Möglichkeit, dass sich Zschäpe auch dann noch wegen ihres "Hangs" zu Straftaten wieder der rechten Szene anschließt und erneut gefährlich wird. Deswegen lässt er auch die Option Sicherungsverwahrung offen - verhängt das Gericht diese Sicherungsverwahrung, dann käme sie nie wieder in Freiheit.

Aber ist diese Frau auch noch in 20, 25 Jahren gefährlich? So gefährlich, dass die Öffentlichkeit vor ihr geschützt werden muss? Selbst dann, wenn sie ihre möglicherweise lebenslange Strafe längst abgesessen hat? Nichts anderes bedeutet die Sicherungsverwahrung.

Doch so verabscheuungswürdig die Verbrechen des NSU sind, so sehr die Angehörigen der Opfer leiden - in Wirklichkeit ist Beate Zschäpe schon jetzt nicht mehr gefährlich. Diese Frau ist keine Ikone der rechten Szene - anders als ihr Mitangeklagter Ralf Wohlleben, für den immer wieder Unterstützter demonstrieren und "Freiheit für Wolle" fordern. Sie ist auch kein deutscher Breivik. Sie kämpft nicht, sie duckt sich weg, redet sich raus. Diese Frau war nur im Verbund mit ihren mörderischen Freunden gefährlich. Doch die sind tot. Zschäpe ist jetzt vor allem eines: allein.

Und das wird sie lange bleiben.

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