NSU-Prozess:Wohlleben äußert sich zu Neonazi-Angriff

  • Während des NSU-Prozesses berichten Opfer eines Neonazi-Angriffs, an dem auch der Angeklagte Ralf Wohlleben beteilligt gewesen sein soll.
  • Der äußert sich ebenfalls und bestreitet die Vorwürfe.
  • Dass Wohlleben einer der Täter war, kann keiner der beiden Opfer bestätigen.

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Ganz am Schluss meldet sich der Angeklagte Ralf Wohlleben im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München zu Wort. Der frühere NPD-Funktionär bleibt bei seiner Darstellung: Er sei an einem Neonazi-Angriff auf zwei Jugendliche im Juli 1998 an einer Straßenbahnendhaltestelle in Jena-Winzerla nicht beteiligt gewesen. Er habe in jener Zeit jede Aufmerksamkeit durch die Polizei vermieden, da er in Kontakt zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gestanden habe, die kurz zuvor untergetaucht waren, sagte er am Ende des Verhandlungstages.

Zuvor hatten die damaligen Opfer vor Gericht berichtet, wie eine Gruppe Neonazis sie im Sommer 1998 angegriffen hatte. Martin K. war damals 17 Jahre alt. Die Neonazis hatten ihn geschlagen und getreten, sagte er vergangene Woche vor Gericht. Er erlitt einen Nasenbeinbruch und weitere Gesichtsverletzungen. Sein Freund, Björn W., sagte an diesem Donnerstag, er habe in jener Nacht fliehen und die Polizei verständigen können. Außer Schürfwunden habe er keine Verletzungen davon getragen.

Das Gericht hatte erst durch den Mitangeklagten Carsten S. von dem Vorfall erfahren. Nach Angaben von Carsten S. seien Wohlleben und er unter den Tätern gewesen. Wohlleben soll sich hinterher damit gebrüstet haben, "jemandem auf dem Kopf herumgesprungen zu sein". Wohlleben bestreitet dies und behauptet, dass Carsten S. ihn um jeden Preis belasten wolle.

Intensive Suche nach den Opfern

Das Gericht befragte in den vergangenen Wochen Zeugen um Zeugen, um herauszufinden, ob es eine solche Schlägerei wirklich gegeben hat. Erst auf intensive Nachforschung des Berliner Nebenklagevertreters Hardy Langer konnten schließlich die beiden Opfer des Angriffs ausfindig gemacht werden. Ihre Angaben passten zu der Darstellung von Carsten S. Doch dass Wohlleben einer der Täter war, konnte keiner von beiden bestätigen. Sie hätten einfach eine Gruppe Neonazis wahrgenommen, an einzelne Personen könnten sie sich nicht konkret erinnern, gaben sie an.

Wohlleben wiederholt, dass er an keiner Schlägerei beteiligt gewesen sei. Er erinnert daran, dass die drei mutmaßlichen NSU-Terroristen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nur wenige Monate vor dem Vorfall untergetaucht waren. "Wenige Monate nach dem Untertauchen der Drei war ich vielmehr darauf bedacht, dass ich polizeilich nicht auffalle, da ich im Kontakt zu den Dreien stand."

Carsten S. und Wohlleben sind im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Sie sollen Böhnhardt und Mundlos die Pistole beschafft haben, mit denen sie aus rassistischen Motiven neun Männer türkischer und griechischer Herkunft ermordeten. Carsten S. hat die Waffenlieferung gestanden und Wohlleben belastet. Wohlleben bestreitet die Vorwürfe.

Zuvor war es an diesem Verhandlungstag zu mehreren Unterbrechungen und zwei Ablehnungsanträgen von Wohlleben gegen die Richter des Senats gekommen. Das Gericht setzte die Verhandlung dennoch zunächst fort. Ein anderer Senat muss nun über die Befangenheitsanträge entscheiden. Am Dienstag wird der NSU-Prozess fortgesetzt.

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