NSU-Prozess:Der Richter verteidigt die Verteidiger

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  • Am Dienstag schmettert das Gericht im NSU-Prozess die Frage ab, ob Beate Zschäpe noch angemessen verteidigt werde.
  • Für die drei alten Pflichtverteidiger Heer, Sturm und Stahl gibt das Gericht geradezu eine Ehrenerklärung ab.
  • Es deutet sich an, dass sich das Mammutverfahren bald dem Ende nähert.

Von Annette Ramelsberger, München

Sie wendet ihnen demonstrativ den Rücken zu, sie lässt ihr Haar wie einen Vorhang herunter, damit sie die drei nicht sieht, sie redet nie mit ihnen. Dass Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess, nichts mit ihren drei alten Pflichtverteidigern zu tun haben will, ist unübersehbar. Nur mit ihrem neuen, vierten Verteidiger spricht sie. Ihn strahlt sie geradezu an und rückt nah zu ihm heran. Doch dieser vierte Anwalt ist erst im Sommer, nach mehr als 200 Verhandlungstagen, dazugestoßen. Und deswegen bricht im NSU-Prozess immer wieder die Frage auf, ob Beate Zschäpe noch ordnungsgemäß verteidigt wird. Es könnte eine Bruchstelle in dem Verfahren sein.

Ein großer Teil der Beweisaufnahme sei ohnehin schon abgeschlossen, hieß es

Am Dienstag hat das Gericht diese Frage zunächst einmal abgeschmettert. Es lehnte die Anträge des Angeklagten Ralf Wohlleben ab, den Prozess auszusetzen, weil Zschäpe nicht ordnungsgemäß verteidigt werde. Das Gericht gab für die alten Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm geradezu eine Ehrenerklärung ab: Sie seien eingearbeitet, hätten regelmäßig und aktiv an der Verhandlung teilgenommen, auch nach dem Streit im Sommer 2015, als erst Zschäpe ihre Verteidiger loswerden wollte und dann auch die Verteidiger ihre Mandantin. Auch dass Zschäpe und ihre alten Verteidiger seit Sommer nicht mehr miteinander reden, hält das Gericht für nicht wichtig. Bis dahin habe es eine intensive Kommunikation gegeben. Und nun sei ja bereits ein großer Teil der Beweisaufnahme erfolgt und der Prozess weit fortgeschritten, dann sei es auch nicht erheblich, ob ihr neuer Anwalt schon eingearbeitet sei. Das hört sich an, als wenn es nun für die Verteidigung ohnehin nichts mehr zu reißen gäbe.

Was ordnungsgemäße Verteidigung ist, das ist ein weites Feld. Die Verteidiger im NSU-Prozess agieren sehr unterschiedlich. Die Verteidiger des Angeklagten Carsten S., der die Tatwaffe überbracht hatte, haben ihrem Mandanten geraten, reinen Tisch zu machen. Sie haben ihn über Tage hinweg durch ein Gewitter von Fragen begleitet. Die Anwälte des Angeklagten Holger G., der dem NSU-Trio seinen Pass und seinen Führerschein zur Verfügung gestellt hatte, haben ihren Mandanten zu Prozessbeginn nur eine Erklärung verlesen lassen. Er hat keine einzige Frage beantwortet. Seitdem schweigen er und seine Anwälte.

"Sehr unterschiedliche Aktivitätsprofile"

Auch die Verteidiger von André E., der für den NSU Wohnmobile angemietet hatte und mit den dreien eng befreundet war, stellen Fragen nur in homöopathischen Dosen. Richtig aktiv sind nur die Anwälte der Hauptangeklagten Zschäpe und die ihres Mitangeklagten Wohlleben, dem Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten sagte, es seien bei den fünf Angeklagten "sehr unterschiedliche Aktivitätsprofile" zu beobachten. "Und keiner zweifelt die ordnungsgemäße Verteidigung bei den Angeklagten an, deren Verteidiger weniger Aktivität entwickeln." Es komme nicht mehr darauf an, ob Beate Zschäpe mit ihren drei alten Verteidigern spreche. Ihre Verteidigung sei verteidigungsfähig und verteidigungswillig. Das Gericht will darüber bis Mittwoch nachdenken.

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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