NSU-Prozess:Beate Zschäpe soll erklären, wie der NSU seine Opfer ausgesucht hat

Richter Manfred Götzl will von Beate Zschäpe wissen, was sie gerne im Fernsehen gesehen hat, worüber sie mit den Uwes sprach - und ob die Neonazis ihre Anschlagsziele zufällig ausgewählt haben.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Die Befragung von Beate Zschäpe im NSU-Prozess geht in eine neue Runde. Richter Manfred Götzl stellte der mutmaßlichen Rechtsterroristin am Dienstag eine Reihe weiterer Fragen. Darunter sind einige, die auch die Angehörigen der NSU-Opfer so oder ähnlich bereits gestellt hatten. Doch Zschäpe hatte sich geweigert, auf die Fragen der Nebenkläger einzugehen. Nun will Götzl von ihr wissen: "Sind Ihnen Kriterien für die Auswahl der Opfer der Tötungsdelikte bekannt?"

Nicht nur die Familien der Opfer rätseln darüber, wie die Neonazis ihre Anschlagsziele ausgewählt haben. War es tatsächlich Willkür und Zufall, wie es die Anklage meint; Hauptsache, es handelte sich um Menschen mit türkischen beziehungsweise ausländischen Wurzeln? Oder gab es ein anderes oder weiteres Prinzip, dem die Terroristen folgten, als sie die neun Männer und eine Polizistin erschossen?

Beate Zschäpe hat Fragen des Gerichts bisher stets mit einer zeitlichen Verzögerung und ausschließlich schriftlich beantwortet. So wird es auch diesmal laufen, wie ihr Verteidiger Mathias Grasel ankündigte. Er schrieb eifrig mit. Zu notieren hatte er unter anderem Fragen zum Zusammenleben seiner Mandantin mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt: "Was waren Gemeinsamkeiten, was waren übereinstimmende Themen, gab es Konfliktfelder? Welche Gesprächsthemen gab es? Kam es in diesem Bereich im Laufe der Zeit zu Veränderungen?"

"Welche TV-Serien und Filme haben Sie angesehen?"

Götzl möchte mehr über Zschäpes persönliche Interessen und Freizeitvorlieben erfahren: "Haben Sie gerne gelesen, gegebenenfalls welcher Art war Ihre Lektüre? Welche TV-Serien und Filme haben Sie angesehen? Haben sich Ihre Interessen im Laufe der Jahre verändert?"

Wissen möchte er zudem, ob sich Zschäpe während ihres Lebens im Untergrund jemandem offenbart und über das angebliche "emotionale Dilemma" gesprochen habe, in dem sie gesteckt haben will. In ihrer ersten schriftlichen Einlassung von Dezember 2015 hatte die Angeklagte versucht, sich als eine Art emotionale Gefangene ihrer Mitbewohner darzustellen. Von den Morden habe sie stets erst hinterher erfahren, diese missbilligt, es aber nicht geschafft, sich von den Freunden zu trennen. Angeblich soll Böhnhardt sogar handgreiflich gegen sie geworden sein. Nun möchte Götzl wissen, ob Mundlos in solchen Situationen zugegen war und wie er sich verhielt.

Götzl will auch eine Antwort auf die Frage, ob es weitere Wohnungen gab, in denen sich Zschäpe oder ihre Freunde aufhielten. Die NSU-Ermittler haben dies stets vermutet, bisher jedoch keine klaren Belege dafür gefunden. Der Richter fragte auch zur Rolle des Angeklagten André E. und seiner Frau, die als Vertraute des Trios galten. Ob Zschäpe ihnen erzählte, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestritt?

Noch weitere rätselhafte Punkte sprach der Richter an: Warum beispielsweise hatten Mundlos und Böhnhardt vorbereitete Bekennervideos im Wohnmobil bei sich, als sie am 4. November 2011 eine Bank in Eisenach überfielen und anschließend entdeckt wurden? Führten sie grundsätzlich diese DVDs bei ihren Touren mit sich - und warum?

Schließlich erkundigte sich Götzl auch nach dem Alkoholkonsum Zschäpes. Antworten dazu könnte sie womöglich schon morgen oder am Donnerstag geben, bevor ein Sachverständiger zu diesem Thema im Gericht Stellung nimmt. Dabei geht es unter anderem darum, in welchem Zustand die Angeklagte war, als sie nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand steckte.

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