NSU-Ausschuss:Telefon von V-Mann "Corelli" aufgetaucht - bei der fünften Durchsuchung

BKA Provides New NSU Terror Suspects Vacation Photos

Der NSU im Campingurlaub. Auf einer Kontaktliste von Uwe Mundlos (links) fand sich 1998 auch der Name von Corelli.

(Foto: Getty Images)
  • Der V-Mann "Corelli" lieferte fast 20 Jahre lang Berichte über die rechtsradikale Szene, bis heute wird spekuliert, ob er Kontakt zu den NSU-Terroristen gehabt haben könnte.
  • Nun ist ein bislang unbekanntes Mobiltelefon des V-Mannes aufgetaucht.
  • Niemand will die Brisanz dieses Fundes bemerkt haben, den Abgeordneten des Kontrollgremiums wurde darüber nichts mitgeteilt.

Von Lena Kampf und Hans Leyendecker

Der Mann, den sie beim Verfassungsschutz "Corelli" nannten, war in der Szene eine Berühmtheit. Fast zwanzig Jahre lang lieferte er Berichte über die rechtsradikale Szene, und bis heute gibt es die Spekulation, dass Corelli, der im bürgerlichen Leben Thomas Richter hieß, Kontakt zu den NSU-Terroristen gehabt haben könnte. Als er vor zwei Jahren im Alter von 39 Jahren starb, gab es viel Geraune. Manche Fragen sind bis heute offengeblieben.

Jetzt gibt es in der Angelegenheit ganz neue Fragen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) informierte am Mittwoch den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, dass ein bislang unbekanntes Mobiltelefon des V-Mannes aufgetaucht sei. Es soll in einem Panzerschrank der Kölner Behörde gelegen haben. "Privat beschafft" soll auf dem Umschlag gestanden haben, in dem das Handy steckte.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka hält den Fall für einen "Offenbarungseid" des BfV, das offenbar "aus der Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie beim NSU immer noch nichts gelernt" habe. Der Vorsitzende des Ausschusses, Clemens Binniger (CDU), hält die Umstände des Fundes für "sicher kritikwürdig".

Sein Name stand auf einer Kontaktliste des späteren NSU-Terroristen Mundlos

Im Fall NSU tauchten viele V-Leute auf. Auch im Münchner NSU-Prozess wird darüber gestritten, wer wann was gewusst haben könnte. Aber alles, was mit dem legendären Corelli zusammenhängt, schien von Bedeutung zu sein.

Der Grünen-Politiker Jerzy Montag hat im vergangenen Jahr im Auftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages auf gut 300 Seiten die Geschichte dieses V-Mannes nachgezeichnet. Es kam heraus, dass Corelli eine Top-Quelle der Staatsschützer gewesen war. Knapp 300 000 Euro hat sich das Amt den V-Mann kosten lassen. Er galt in der Szene als Internet-Experte und stellte auch Speicherplatz für ein Neonazi-Magazin zur Verfügung, in dem bereits nach der Jahrtausendwende eine Grußbotschaft mit NSU-Bezug auftauchte.

Der ehemalige V-Mann starb, bevor die Ermittler ihn zu einem Datenträger befragen konnten, der von Corelli stammt und in dem schon lange vor Entdeckung der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" von einem "NSU" die Rede war. Bei Vernehmungen hat Corelli Kontakte zum NSU bestritten. Sein Name fand sich jedoch 1998 auf einer Kontaktliste des späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos.

Das Mobiltelefon lag beim Verfassungsschutz im Schrank

Mit der CD von Corelli war es so ähnlich wie mit dessen Handy. Die silberne Scheibe schlummerte in einer Ablage des Verfassungsschutzes, ohne dass jemand die Brisanz bemerkt haben will.

Die Auswertung sei "grob regelwidrig" gewesen, schrieb Montag in seinem Bericht. "Sie ist schlicht unterlassen worden." Gefunden wurde der Datenträger im Hause des Verfassungsschutzes von Beamten des Bundeskriminalamtes. Der Verfassungsschutz sei "nicht in der Lage" gewesen", sie "im eigenen Haus zu finden", schrieb Montag.

Das Handy soll nun aus den Herbsttagen 2012 stammen. Ein Jahr zuvor war die NSU-Bande aufgeflogen. Corelli soll es seinem V-Mann-Führer übergeben haben. Es kam beim BfV offenbar in den Panzerschrank, und merkwürdigerweise soll es bei vier Sichtungen nicht gefunden worden sein. Erst bei der fünften Durchsuchung tauchte es auf.

Den Abgeordneten wurde der Fund nicht mitgeteilt

Vielleicht war es immer schon da gewesen. Gefunden wurde es im Sommer 2015. Im Oktober beschäftigten sich Spezialisten des Hauses mit dem Fund, und Mitte April dieses Jahres stand fest, dass sich auf dem Handy viele Bildaufzeichnungen befanden und ein Who is Who der rechtsradikalen Szene. Spätestens am 21. April erfuhr die Amtsleitung der Behörde davon. Aber bei einer Sitzung des Kontrollgremiums am 27. April wurde den Abgeordneten darüber nichts mitgeteilt.

"Das BfV nehme das Kontrollgremium "offenbar nicht ernst", erklärt Lischka. Das Innenministerium müsse seine Fachaufsicht dringend neu ausrichten. Aber erst in diesem Monat soll das für die Aufsicht der Behörde zuständige Bundesinnenministerium über den Fund informiert worden sein. Mit der Auswertung der Daten beschäftigt sich jetzt das Bundeskriminalamt, der Generalbundesanwalt ist eingeschaltet.

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