Auf dem Parteitag der SPD in Nordrhein-Westfalen hat sich am Wochenende unter fünfhundert Menschen nicht ein einziger gefunden, der etwas gegen den Koalitionsvertrag einzuwenden hätte. Es sieht so aus, als wäre die Angst von Hannelore Kraft vor dem Feind in den eigenen Reihen, der ihr am Mittwoch die Stimme versagt, nur wenig begründet. Zwar mag es ein paar wenige Enttäuschte geben, die keinen Platz im Kabinett finden und Kraft die Stimme verweigern. Verhindern werden sie die Wahl zur Ministerpräsidentin damit nicht.
Die wirklich Unberechenbaren sitzen bei der Linkspartei, die entschieden hat, sich bei der Wahl zu enthalten. Die Linken behaupten fast jeden Tag etwas anderes. Es gehört einfach zu ihrem Konzept, so zu tun, als seien sie nicht berechenbar, als müssten SPD und Grüne immer wieder auf sie zugehen, um im Parlament eine Mehrheit zu bekommen. Zwar braucht Kraft mindestens die Enthaltungen der Linken, um Gesetze durchzubringen. Sie wird sie aber oft bekommen.
Die Linken sind insoweit berechenbar, als dass sie die Minderheitsregierung nicht stürzen werden. Bei einer Neuwahl wäre ihr Wiedereinzug ins Parlament sehr gefährdet. Ihre elf Abgeordneten haben seltsame westdeutsche Biographien aus einer linken Subkultur, sie sind aber in ihrer Besitzstandswahrung auch recht bürgerlich. Sie wollen ihre Mandate und die Diäten nicht verlieren. Sie genießen die Aufmerksamkeit nach Jahren der Beschäftigung mit sich selbst, in denen sich niemand dafür interessierte, dass sie die DDR ganz gut fanden. Die westdeutschen Linken werden weiter seltsame Meinungen vertreten. Sie werden aber auch berechenbar sein in ihrer Unberechenbarkeit.