Neuer Streit um Familienleistung:Grüne fordern sofortige Abschaffung des Betreuungsgelds

Gegner des Betreuungsgelds sehen durch eine Studie ihre Vorbehalte bestätigt. Die Grünen sprechen von einer "Familienpolitik ohne Sinn und Verstand" und fordern die Abschaffung der Familienleistung. Bei der SPD rennen sie offene Türen ein.

Umstritten war es von Anfang an - knapp ein Jahr nach seiner Einführung entbrennt um das Betreuungsgeld erneut heftiger Streit. Auslöser sind die Ergebnisse einer Untersuchung, nach denen das Betreuungsgeld viele Migrantenfamilien und Eltern mit geringer Bildung offensichtlich davon abhält, ihre Kleinkinder in eine Kita zu schicken.

SZ.de hatte die Studie bereits im Juni erwähnt, eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa hatte am Sonntag zu neuer Berichterstattung darüber geführt. Für die Studie hatten das Deutsche Jugendinstitut und die Universität Dortmund mehr als 100 000 Eltern mit Kindern unter drei Jahren befragt. In ihr heißt es, das Betreuungsgeld stelle besonders für sozial benachteiligte Familien einen Anreiz dar, kein staatliches Angebot frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung zu nutzen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sagte dazu dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Das Betreuungsgeld ist absoluter Unsinn." Es setze falsche Anreize und verhindere die frühkindliche Förderung. Es zeige sich nun erneut, dass die Union "Familienpolitik ohne Sinn, ohne Verstand, nur mit Blick auf das eigene Klientel" mache. "Die Bundesregierung muss das Betreuungsgeld unverzüglich abschaffen und das Geld stattdessen sinnvoll in ausreichend gute Kita-Plätze investieren", forderte sie.

Ähnlich äußerte sich die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Sie sagte in der Passauer Neuen Presse, dass die Mittel anders eingesetzt werden müssten, "und zwar für mehr Qualität in den Kitas".

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann zeigte sich in der Passauer Neuen Presse offen für die Grünen-Forderung: "Wir sind sofort bereit, das Betreuungsgeld wieder abzuschaffen." Die Studie bestätige voll die Befürchtungen bei der Einführung der Leistung: "Das Betreuungsgeld führt dazu, dass Kindern Entwicklungschancen vorenthalten werden." Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel ging in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe auf Distanz: "Die SPD steht für eine andere, modernere Familienpolitik."

CSU verteidigt Betreuungsgeld

Auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht sich durch die Studie in ihrer Skepsis bestätigt. Das Betreuungsgeld sei eine "Erfindung" der schwarz-gelben Vorgängerregierung, sagte eine Sprecherin bereits am Sonntag. Darüber hinaus verwies sie auf eine anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld.

Die bayerische CSU, auf deren Druck das Betreuungsgeld im vergangenen Jahr eingeführt worden war, wies die Kritik vehement zurück: "Das Betreuungsgeld ist das Gegenstück zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der Passauer Neuen Presse. "Der Staat darf nicht ein Erziehungsmodell bevorzugen." Die CSU gehe von einem eigenverantwortlichen Elternbild aus. "Die Eltern wissen am besten, was gut für ihr Kind ist: privat vor Staat und nicht andersherum." Die große Nachfrage zeige, dass das Betreuungsgeld "der richtige Weg" sei.

Das Betreuungsgeld wurde zum 1. August 2013 eingeführt. Es wird vom 15. Lebensmonat bis zum dritten Lebensjahr gezahlt und beträgt derzeit monatlich 100 Euro. Am 1. August dieses Jahres wird es auf 150 Euro erhöht. Im ersten Quartal 2014 bezogen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 145 769 Eltern Betreuungsgeld. Am häufigsten wurde es in Bayern nachgefragt. Allein dort gab es zu diesem Zeitpunkt 33 500 Bezieher.

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