Nach Flugzeug-Abschuss:Putin lässt Hollande im Vagen

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Frankreichs Präsident Hollande (links) und der russische Präsident Wladimir Putin. (Foto: AFP)
  • Frankreichs Präsident Hollande besucht Moskau, er will Putin für den Kampf gegen den IS gewinnen.
  • Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei erweist sich das als schwieriger denn je.
  • Russland hat ein Maßnahmenpaket verabschiedet, mit dem es auf den Abschuss des Kampfjets durch die Türkei reagiert.

Von Julian Hans, Moskau

Am Ende waren sich die Präsidenten zumindest in einem Punkt einig: Die Schläge gegen die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates sollen verstärkt werden. Doch darüber, wie dieser Kampf zwischen den unterschiedlichen Parteien besser koordiniert werden kann, blieben die Aussagen im Vagen.

François Hollande erklärte bei seinem Besuch im Moskauer Kreml am Donnerstagabend seine Bereitschaft, Aufklärungsergebnisse zu teilen. Diesen Austausch gebe es mit der von den USA geführten Koalition bereits, schränkte Wladimir Putin ein, die Ergebnisse seien aber "beunruhigend". Auch vor dem Einsatz des SU-24-Bombers an der türkisch-syrischen Grenze am Dienstag habe man die Amerikaner informiert: "Die Amerikaner wussten, wann unsere Flugzeuge wo im Einsatz sein werden. Und genau dort wurden wir getroffen".

Die Konflikte in Syrien und der Ukraine sollen nicht verknüpft werden

Noch einmal unterstrich Hollande die Haltung für eine politische Nachkriegsordnung. Der syrische Präsident Baschar al-Assad könne keine Rolle in der Zukunft Syriens spielen, sagte er. "Aber wir wünschen uns, dass Russland eine zentrale Rolle bei diesem Übergangsprozess spielt." Der Krieg in Syrien dürfe zudem nicht mit dem Konflikt um die Ukraine verknüpft werden: "Unser gemeinsamer Kampf gegen den Terrorismus in Syrien hat keine Auswirkungen auf den Minsker Prozess", sagte Hollande.

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Putin nannte Assad dagegen einen "natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus". Alle seien sich einig, dass der IS nur mit Bodentruppen bezwungen werden könne. Die einzigen, die dazu in der Lage wären, seien die syrischen Streitkräfte.

Beide Staaten verbindet, dass sie erst kürzlich zum Ziel schwerer Terroranschläge wurden. Eine Bombe, die mutmaßlich Anhänger des IS an Bord platziert hatten, zerriss am 31. Oktober einen russischen Ferienflieger über dem Sinai, alle 224 Insassen starben. Zwei Wochen später erfolgte der Angriff auf Paris, der 130 Menschen den Tod brachte. Daraufhin befahl Putin, die Luftschläge zu verstärken.

Abschuss des russischen Kampfjets macht Anti-IS-Koalition unwahrscheinlich

Hollande war Anfang der Woche aufgebrochen, um mit den USA, Großbritannien, Deutschland, Italien und Russland eine internationale Koalition gegen den IS zu schließen. Wenn es nach dem Schock der Pariser Anschläge kurzzeitig so ausgesehen hatte, als könnten sich die rivalisierenden Kräfte im Syrien-Krieg zumindest auf den gemeinsamen Kampf gegen den IS einigen, war diese Hoffnung mit dem abgeschossenen russischen SU-24-Bomber im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien zerschellt.

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In Moskau steckte Hollande in einer zwiespältigen Rolle: Als Krieger gegen den Terror wünscht er sich Putin an seiner Seite. Als Präsident eines wichtigen EU-Mitglieds wird er demnächst die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland erklären müssen. Die 13 Punkte des Minsker Abkommens werden nicht wie vorgesehen bis Jahresende umgesetzt sein. Ein Abschluss des Friedensprozesses gilt aber als Voraussetzung für ein Sanktionsende.

Russland bereitet Sanktionen gegen die Türkei vor

Der Abschuss der SU-24 am Dienstag hat die Dringlichkeit einer Abstimmung auf dramatische Weise deutlich gemacht. Die Folgen machen sie aber nicht einfacher. Mit den Luftabwehrsystemen S-400, die Putin angeblich als Reaktion auf den Zwischenfall an die Levante-Küste schickte, die nach Kreml-Angaben aber bereits am Donnerstag eingetroffen sein sollen, kontrollieren die Russen künftig einen noch größeren Teil des Himmels über Syrien. Jedes Flugzeug, das dort fliegen will, braucht ihre Duldung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan lehnte am Donnerstag eine Entschuldigung für den Abschuss der russischen Maschine ab. "Die, die unseren Luftraum verletzt haben, sind diejenigen, die sich entschuldigen müssen", sagte er in einem Interview mit dem Sender CNN. Erdoğan erklärte sich dennoch zu einem Treffen mit Putin am Rande des Weltklimagipfels am Montag in Paris bereit.

Wegen gewalttätiger Übergriffe auf türkische Einrichtungen in Russland bestellte Ankara den russischen Botschafter ein. In der russischen Hauptstadt hatten Demonstranten Steine und Flaschen auf die türkische Botschaft geworfen. Fenster gingen zu Bruch, die Polizei schritt nicht ein.

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Derweil konkretisiert sich, welche Strafmaßnahmen Moskau für den Abschuss des Militärjets plant. Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew wies sein Kabinett an, innerhalb von zwei Tagen "ein Maßnahmenpaket als Antwort auf den Akt der Aggression durch die Türkei auszuarbeiten". Investitionsvorhaben könnten "eingefroren oder aufgekündigt werden", sagte er. Auch der Import von Lebensmitteln und Haushaltswaren aus der Türkei könne betroffen sein. Der Chef der Tourismusbehörde Rosturism, Oleg Safonow, erklärte, jegliche Zusammenarbeit mit der Türkei werde eingestellt. Das Land war nach Ägypten das zweitbeliebteste Reiseziel der Russen.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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