Nach Erdoğans Schelte:Bundesregierung springt Gauck zur Seite

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"Nicht übereinander reden, sondern miteinander": Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Türkei-Besuch. (Foto: dpa)

"Ich bin stolz auf unseren Bundespräsidenten": Nach der verbalen Schelte des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan erhält Joachim Gauck Unterstützung von der deutschen Bundesregierung.

Nach dem verbalen Angriff des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf Joachim Gauck erhält der Bundespräsident Rückendeckung von der deutschen Bundesregierung. Diese stellt sich hinsichtlich Gaucks Äußerungen demonstrativ vor ihn: "Da gibt es keinen Unterschied zwischen der Einschätzung des Bundespräsidenten und der der Bundesregierung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Was Gauck während seiner Reise angesprochen habe, seien "Punkte, die auch die Bundesregierung besorgen" und zu denen auch sie sich bereits öffentlich geäußert habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Entsprechend unserer Werte und Prinzipien" müsse man diese Dinge ansprechen, fügte er hinzu.

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Reden? Mit dem türkischen Premier scheint das im Moment unmöglich zu sein. Der Ton, den Erdoğan in seiner Replik anschlägt, ist so schrill, dass es nur zwei Erklärungen gibt.

Ein Kommentar von Christiane Schlötzer

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprang Gauck zur Seite und lobte dessen kritischen Äußerungen in der Türkei. "Ich bin stolz auf unseren Bundespräsidenten, der die deutsch-türkischen Beziehungen betont und seine Meinung offen gesagt hat", sagte de Maizière.

Regierungssprecher Seibert betonte zugleich den "enormen Respekt" Deutschlands vor der Leistung des türkischen Volkes. Es gebe nicht zuletzt deshalb eine große Nähe zu dem Land, weil Millionen Menschen in Deutschland lebten, die ihre Wurzeln in der Türkei hätten. "Das ist die Basis unserer Partnerschaft und Freundschaft, zu der auch natürlich das offene Wort gehört", sagte er.

Gauck hatte am Montag bei seinem Türkei-Besuch in einer Rede vor Studenten den autoritären Führungsstil des türkischen Regierungschefs kritisiert und demokratische Defizite in dem Land beklagt. Er warnte vor Gefahren für die Demokratie durch Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit sowie Eingriffe in die Gewaltenteilung. Des Weiteren zeigte er sich besorgt über ein neues Gesetz, das dem türkischen Geheimdienst mehr Macht gibt, sowie über das gewaltsame Vorgehen gegen Straßenproteste in den vergangenen Monaten. Gauck kritisierte Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit durch das Verbot der Internetdienste Twitter und YouTube sowie durch die Entlassung kritischer Journalisten.

Erdoğan reagierte ungehalten auf Gaucks Äußerungen. Er nannte sie eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei und sagte über den Bundespräsidenten und ehemaligen protestantischen Pastor: "Anscheinend denkt er immer noch, er wäre ein Priester." Von den Deutschen müsse man sich nicht belehren lassen, was den Umgang mit Extremisten angehe. In Deutschland würden Häuser von Türken "aus rassistischen Motiven niedergebrannt", sagte Erdoğan. "Dann kommen sie hierher und erteilen uns Ratschläge. Behaltet eure Ratschläge für euch."

Unterdessen hat die türkische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Imam und Widersacher Erdoğans, Fethullah Gülen, wegen des Vorwurfs eines "versuchten Staatsstreichs" und der Gründung und Leitung einer "illegalen Organisation" aufgenommen. Es lägen "schwere Vorwürfe, insbesondere Spionage" gegen Gülen vor, sagte Kulturminister Ömer Celik. Gülen und seine Bewegung hätten "einen Staat im Staate" errichtet und Zugang zu den vertraulichsten Regierungstreffen" gehabt. Erdoğan wirft Gülen vor, hinter den Berichten über Korruptionsskandale zu stehen, die die türkische Regierung seit Dezember erschüttern.

Der 73-jährige Gülen lebt seit 1999 im selbstgewählten Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania. Von dort leitet er eine religiöse Reformbewegung. Erdoğan will die Auslieferung seines einstigen Verbündeten aus den USA erreichen.

© Süddeutsche.de/afp/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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