Nach Armenien-Resolution:Türkischstämmige Abgeordnete erhalten verstärkten Polizeischutz

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  • Nach Morddrohungen wegen der Armenier-Resolution stehen elf türkischstämmige Bundestagsabgeordnete unter verstärktem Polizeischutz.
  • Das Auswärtige Amt hat den Abgeordnten aus Sicherheitsgründen geraten, Reisen in die Türkei abzusagen.

Neun Tage ist es her, dass der Deutsche Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen eine Resolution verabschiedet hat. Es ging darin um ein Ereignis, das mehr als 100 Jahre zurückliegt: Das Massaker an etwa 1,5 Millionen Armeniern und Angehörigen anderer christlicher Minderheiten im Osmanischen Reich im Jahr 1915.

Gegenstand der Resolution war, die Ereignisse des Jahres 1915 offiziell als Vörkermord einzustufen - so wie es zahlreiche andere Länder und das Europäische Parlament bereits getan haben. Die türkische Regierung wehrt sich seit Jahren dagegen und weist jede Verantwortung von sich.

Morddrohungen an Abgeordnete

Die vom Bundestag verabschiedete Resolution hat für heftige diplomatische Verwerfungen zwischen der türkischen und der deutschen Regierung gesorgt. Inzwischen ist die Lage eskaliert. Vor allem die elf türkischstämmigen Abgeordneten des Bundestages sehen sich immer schärferen Angriffen ausgesetzt. Sogar Morddrohungen haben sie erhalten.

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Grünen-Politiker Cem Özdemir legt im Streit mit dem türkischen Präsidenten nach. Aus der Türkei hingegen kommen die nächsten Schritte gegen den Bundestag.

Jetzt, so berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - reagieren die deutschen Sicherheitsbehörden auf die Bedrohung. Die Abgeordneten stehen seit diesem Wochenende unter verstärktem Polizeischutz. Dies sei das Ergebnis einer Sitzung von Abgeordneten mit Vertretern der Berliner Polizei, der Bundestagspolizei und des Bundeskriminalamts.

Das Bundeskriminalamt wollte sich auf Anfrage nicht näher äußern. Eine Sprecherin erklärte lediglich, dass die Sicherheit der Abgeordneten lageangepasst gewährleistet werde. Bereits zuvor war die Polizeipräsenz an der Wohnung von Cem Özdemir erhöht worden, der einer der Initiatoren der Resolution war und für den als Grünen-Parteichef ohnehin besondere Sicherheitsmaßnahmen gelten. Özdemir berichtete von massiven Drohungen gegen ihn, die man ernstnehmen müsse.

Abgeordnete haben bereits Reisen nach Ankara abgesagt

Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte die elf türkischstämmigen Abgeordneten als verlängerten Arm der verbotenen PKK bezeichnet und einen "Bluttest" gefordert, um festzustellen, ob die Abgeordneten tatsächlich türkische Wurzeln hätten.

Dem Spiegel zufolge hat das Auswärtige Amt den Parlamentariern geraten, auf Reisen in die Türkei vorerst zu verzichten. Begründet wurde dies damit, dass für ihre Sicherheit dort nicht garantiert werden könne. Türkischstämmige Abgeordnete hätten bereits Dienstreisen nach Ankara oder ihren Sommerurlaub am Bosporus abgesagt. Ein Abgeordneter soll dafür gesorgt haben, dass seine Eltern das Ferienhaus der Familie in der Türkei verließen und in einem Hotel einer anderen Stadt Zuflucht suchten. "Es ist unsäglich zu wissen, dort nun erst mal nicht hinfliegen zu können", sagte die SPD-Abgeordnete und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz.

Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Erdoğans Angriffe deutlich zurückgewiesen hatte, sagte im ZDF, die in einer "beispiellosen Weise aufgeheizte Öffentlichkeit" in der Türkei sei ein "hinreichender Grund, nicht unbedingt notwendige Besuche besser auch dann zu einem späterem Zeitpunkt stattfinden zu lassen".

Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: "Die Bedrohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete sind nicht zu akzeptieren. Der Bundestagspräsident hat dafür am Donnerstag die richtigen Worte gefunden. Selbstverständlich werden auch, wenn erforderlich, die Sicherheitsmaßnahmen angepasst."

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Es war höchste Zeit, dass der Bundestagspräsident die unverschämten Entgleisungen des türkischen Präsidenten mit aller Schärfe zurückweist. Jetzt ist die Kanzlerin dran.

Kommentar von Stefan Braun

Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen erhebt Vorwürfe gegen die Bundesregierung. "Lediglich eine Reisewarnung an uns Abgeordnete auszusprechen, reicht nicht". Die Regierung müsse "endlich handeln" und die für die "Hatz" auf Bundestagsabgeordnete Verantwortlichen in der türkischen Regierung mit einem Einreiseverbot belegen.

© dpa/Reuters/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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