Nach Anschlag in New York:48 Stunden freies Verhör

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Feindliche Kämpfer aus dem Inland: Wer des Terrorismus verdächtigt wird, soll in den USA künftig weniger Rechte haben als "normale" Kriminelle.

Reymer Klüver, Washington

In einer überraschenden Kehrtwende hat die Regierung von Barack Obama vorgeschlagen, die Rechte von Terrorverdächtigen nun doch einzuschränken. Justizminister Eric Holder kündigte eine Gesetzesinitiative an.

Ein feindlicher Kämpfer? Der Verdächtige Faisal Shahzad, amerikanischer Staatsbürger. (Foto: Foto: AFP)

Danach sollen Verdächtige zunächst verhört werden können, ohne dass sie über ihre Rechte aufgeklärt werden. Entfallen soll die eigentlich vom Verfassungsgericht garantierte Belehrung, dass alles, was Festgenommene sagen, gegen sie verwendet werden kann und sie einen Anwalt hinzuziehen dürfen. Zur Begründung sagte Holder, die Ermittler benötigten größeren Freiraum bei der Befragung von Verdächtigen.

Hintergrund dürfte das Drängen von Republikanern sein, Verdächtige in Terrorfällen nicht als normale Kriminelle zu behandeln, sondern als "feindliche Kämpfer", die weitgehend ohne Rechtsschutz befragt und inhaftiert werden können. Auslöser ist der fehlgeschlagene Anschlag auf den Times Square in New York.

Unter anderem der gescheiterte republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain hatte sich dafür stark gemacht, dass der mutmaßliche Täter, Faisal Shahzad, als feindlicher Kämpfer behandelt wird - obwohl er auf amerikanischem Boden festgenommen wurde und amerikanischer Staatsbürger ist.

Minister Holder stellte zudem erstmals im Namen der US-Regierung fest, was bereits seit einigen Tagen klar geworden war: dass Shahzad seinen Anschlag im Auftrag pakistanischer Taliban ausführen wollte. "Wir wissen, dass sie geholfen haben", sagte Holder im Fernsehen. Sie hätten ihm Anweisungen gegeben und ihn mit Geld ausgestattet. Er kündigte Beweise an.

Auch der Geheimdienstexperte des Weißen Hauses, John Brennan, bestätigte die Verbindungen. Shahzad sei von den Taliban ausgebildet und finanziert worden: "Im Prinzip wurde er in die Vereinigten Staaten zurückgeschickt, um diesen Anschlag auszuführen", sagte Brennan.

Er betonte, dass die Behörden in der Sache "gut" mit ihren pakistanischen Partnern zusammenarbeiten würden. Allgemein wird vermutet, dass die Regierung den vereitelten Anschlag und die Verbindungen des Attentäters zu den Taliban benutzt, um die Pakistanis zu einem schärferen Vorgehen gegen die Rebellen zu bewegen.

Ende der "Miranda-Regelung"

Justizminister Holder brachte seine Kehrtwende denn auch direkt mit dem New Yorker Anschlagsversuch in Verbindung. "Wir haben es jetzt mit internationalen Terroristen zu tun", sagte er. Die Rechtsgrundlage für die Verhöre Verdächtiger müsse den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die Regeln müssten "flexibler und besser der Bedrohung angepasst sein, der wir uns gegenüber sehen", sagte er.

Der Oberste Gerichtshof hatte 1966 die nach einem Kläger benannte "Miranda-Regel" erlassen, nach der ein Tatverdächtiger in den USA unverzüglich über seine Rechte informiert werden muss. Alles, was er zuvor gesagt hat, darf vor Gericht nicht gegen ihn verwendet werden. Der Grundgedanke der Miranda-Regel war, dass so am ehesten verhindert werden könnte, dass Verdächtige von der Polizei zu Geständnissen gezwungen werden, die sie unter ruhiger Abwägung ihrer Situation und mit anwaltlicher Beratung vielleicht nie gemacht hätten.

Konservativen hat diese Regel schon lange gestört. 1984 war sie ein wenig gelockert worden - für den Fall, dass Gefahr für die allgemeine Sicherheit in Verzug ist. Seither hat der Oberste Gerichtshof indes auf die Einhaltung der Miranda-Regel gepocht. Ein Erlass, der Aussagen vor Gericht für zulässig erklärt, die der Verdächtige vor der Verlesung seiner Rechte freiwillig gemacht hat, wurde 2002 verworfen.

Bereits in den beiden jüngsten Terrorfällen auf amerikanischem Boden haben die Ermittler offenbar unter Bezug auf die Ausnahmeklausel die Verdächtigen erst mit Verzögerung über ihre Rechte aufgeklärt. Den sogenannten Weihnachtsbomber, der am 25. Dezember 2009 eine Bombe an Bord eines Flugzeugs kurz vor der Landung in Detroit zünden wollten, ließen die Ermittler 50 Minuten reden, ehe sie ihm offiziell seine Rechte vorlasen.

Im Fall des Times-Square-Bombers zögerten FBI-Agenten die Verlesung der Rechte sogar drei bis vier Stunden hinaus. Offenbar auch um diese rechtliche Grauzone zu beseitigen, will Holder eine Verzögerung der Rechteverlesung in Terrorfällen gesetzlich verankern. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Time denkt das Justizministerium an eine Frist von bis zu 48 Stunden.

Republikaner begrüßten den Vorstoß. Sie drängen indes weiter darauf, Terrorverdächtige automatisch als "feindliche Kämpfer" zu behandeln. Bürgerrechtsorganisation lehnten Holders Initiative erwartungsgemäß ab. Es sei nicht ohne Ironie, sagte der Chef der renommierten American Civil Liberties Union, Anthony Romero, dass ausgerechnet die Regierung, die angetreten sei, das Ansehen der USA in der Welt wiederherzustellen, nun fundamentale Bürgerrechte angreife.

© SZ vom 11.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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