Merkels USA-Reise:Auch mit Trump muss man reden

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Auch mit diesem US-Präsidenten muss man reden - recht haben allein hat noch nie geholfen. Die Kanzlerin hat ihren eigenen Weg gefunden, mit ihm umzugehen.

Kommentar von Nico Fried

Im Weißen Haus, am Ende seines Treffens mit Angela Merkel, hat Donald Trump darüber gesprochen, warum er es richtig genießt, in Deutschland so unbeliebt zu sein. Das zeige, so der US-Präsident, wie gut er amerikanische Interessen vertrete. Umgekehrt gelte das auch für Merkel, die in dieser Hinsicht einen "fantastischen" Job mache.

Was der Präsident da beschrieben hat, ist sein Verständnis von Politik. Es ist eine Politik, die er ohne Rücksicht auf historische Verbindungen formuliert, gekappt von moralischen Überzeugungen, ohne Bindung an Verträge. Es ist eine Urform, quasi die Mutter aller Realpolitik. Man kann streiten, ob das, was Trump für amerikanische Interessen hält, auch wirklich im amerikanischen Interesse liegt. Unstrittig ist, dass er über das Mandat zu ihrer Definition verfügt und es auf demokratischem Weg erlangt hat.

Die Lektion aus dem Kurztrip Angela Merkels nach Washington hat deshalb zwei Teile. Erstens: Es gibt einstweilen kein Leben ohne Trump. Er wird nicht versucht, ihn des Amts zu entheben, seine Affären schaden ihm nicht, und bis zur nächsten Wahl sind es noch zweieinhalb Jahre. Man kann ihn nicht ausgrenzen und sollte es auch nicht; es gibt gegen ihn keine Pillen. Trump ist und bleibt Wirklichkeit - und jetzt feiert er auch noch Erfolge in dieser Welt, wie den historischen Korea-Gipfel am Tag von Merkels Besuch.

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Eine große Chance für den geeigneten Umgang mit Trump

Darin aber liegt der zweite Teil der Lektion: Gerade in so einem Erfolg zeigt sich die große Chance für den geeigneten Umgang mit diesem Präsidenten - zum Nutzen aller. Denn was war das Gipfeltreffen der beiden Präsidenten aus Nord- und Südkorea anderes, als ein Triumph multilateraler Politik, wie Trump sie doch eigentlich gar nicht mehr will? Was war es anderes als ein Erfolg der organisierten Staatengemeinschaft, die endlich geschlossen die in den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen gegen Pjöngjang durchgesetzt hat?

Selbst Trump sieht das ja so - womöglich ohne es zu merken. Er hat sich beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping dafür bedankt, dass der die Grenze dicht gemacht und damit den Schmuggel unterbunden hat. Und auch die Rolle Angela Merkels hat Trump als "sehr hilfreich" bezeichnet, vermutlich, weil sie in dem ihr eigenen Stoizismus auf Xi und Wladimir Putin eingeredet hat.

Im Alleingang ist der US-Präsident dabei, vieles zu zerstören, vom Klima-Vertrag bis zu den Handelsbeziehungen. Nur im Verbund aber hat er jetzt mal etwas hingekriegt. Die Gemeinsamkeit, die er verachtet, hat ihm dabei geholfen. Deshalb sollte man in Deutschland und in Europa Trump den Erfolg seiner Korea-Politik nicht missgönnen und kleinreden, sondern zu Werbezwecken geradezu ausleuchten und würdigen.

Die Deutschen hatten es zuletzt mit sehr unterschiedlichen Präsidenten zu tun. Gegenüber George W. Bush übten sie zuerst uneingeschränkte Solidarität nach den Terroranschlägen des 11. September. Danach begann die Abgrenzung gegenüber diesem Präsidenten aus der Überzeugung, sich mit dem Einsatz in Afghanistan nicht weggeduckt zu haben, aber im richtigen Moment mit dem Nein zum Irak-Krieg wieder auf der richtigen Seite zu stehen. Barack Obama entsprach nach diesen schwierigen Jahren einer ungehemmten Idyllisierung des deutschen Bildes von einem US-Präsidenten - vor allem, solange er noch gar nicht Präsident war. Im Ergebnis wirkte dann die Schwäche Obamas besonders ausgeprägt, weil sie an einer völlig überzogenen Erwartungshaltung gemessen wurde.

Man kann ahnen, dass Merkel auf Küsschen zur Begrüßung verzichten könnte

Angela Merkel hat sich im Umgang mit diesen Präsidenten etwas antizyklisches angeeignet. Sie suchte die politische Nähe mit Bush, obwohl er in Deutschland verachtet wurde. Sie hielt Obama auf Distanz, so lange er Verehrung genoss, und stand ihm umso mehr bei, als sein Ansehen im Verfall begriffen war. Ihre öffentliche Anerkennung für Trumps Korea-Politik lässt vermuten, dass sie es weiter so halten wird.

Man kann sich in etwa vorstellen, wie Merkel die Person Trump einschätzt, sein Vorleben, seinen Blick auf die Welt und nicht zuletzt sein Frauenbild. Man kann ahnen, dass Merkel auf die Küsschen zur Begrüßung verzichten könnte. Aber ein freundlicher, sachlicher und klarer Umgang öffnet der Kanzlerin den Zugang, wo sich Interessen decken; und wenn sie sich nicht decken, wenigstens den Zugang, um Argumente vorzubringen. Recht haben allein hat ja noch nie weitergeholfen.

Bei allen Unterschieden in den dekorativen Elementen hat es Emmanuel Macron übrigens während seines Besuches in Washington nicht anders gemacht als Angela Merkel. Während Trump gerne die Personen beurteilt, den französischen Präsidenten großartig und die Kanzlerin außergewöhnlich nannte, beschränkten sich Merkel und Macron darauf, die engen Beziehungen der Länder zu würdigen, über die Persönlichkeit Trumps aber freundlich lächelnd zu schweigen.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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