Maßnahmen gegen Russland:Wie Sanktionen sinnvoll wirken

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Sanktionen, wie sie der Westen in der Krim-Krise gegen Russland verhängt, ersetzen nicht die Diplomatie. Sieben Regeln, wie solche Strafen wirkungsvoll eingesetzt werden können.

Ein Gastbeitrag von Volker Perthes

Internationale Sanktionen wirken immer, nur nicht immer so, wie sie sollen. Sanktionen sind ein Element robuster Außenpolitik. Sie dienen dazu, Druck auf andere Staaten oder Akteure in anderen Staaten auszuüben, aber sie sind politische Instrumente. Das ist ihr großer Vorteil: Sanktionen sind Mittel, die in internationalen Konflikten zur Anwendung kommen, aber sie verbleiben unterhalb der Schwelle militärischer Gewalt oder der Androhung von Gewalt und sind damit völkerrechtlich grundsätzlich legal.

Es wundert nicht, dass gerade die Europäische Union, die den Einsatz militärischer Gewalt zur Konfliktregelung ablehnt, aber auch in Konflikten handlungsfähig bleiben will, sich in den vergangenen Jahren bemüht hat, ihr Sanktionsinstrumentarium zu entwickeln. Der europäische Maßnahmenkatalog reicht von der Einschränkung politischer Kontakte, Visa- und Reisebeschränkungen und der Blockade von Guthaben bis zum Verbot bestimmter Finanztransaktionen, Waffenembargos oder Import- und Exportrestriktionen.

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Ziel solcher Sanktionen ist in der Regel eine Verhaltensänderung der betroffenen Staaten oder Individuen. In den USA, aber auch in Russland, wird das Ziel von Sanktionen oft sehr viel weiter gefasst. Da kann es, man denke an US-Sanktionen gegen Kuba, implizit oder explizit darum gehen, einen Gegner zu bestrafen, zu schwächen oder gar einen Regimewechsel herbeizuführen.

Europäer schauen meist auf die vermutete Kosten-Nutzen-Kalkulation der Gegenseite: Akteuren, die eine aus unserer Sicht inakzeptable Politik verfolgen, soll klar werden, dass sie dafür einen hohen Preis zahlen müssen und deshalb besser darauf verzichten. Dies zu kalkulieren ist in der Theorie allerdings sehr viel leichter als in der Praxis.

Seriöse Aussagen dazu, ob und wie bestimmte Sanktionen auf die Entscheidungen anderer Staaten wirken, lassen sich nicht treffen. Politik funktioniert nicht so mechanisch. Bei vielen Debatten über Erfolge und Misserfolge von Sanktionen geht es darum, die eigenen Präferenzen zu bestätigen: Ist Iran, wie einige argumentieren, heute zu Kompromissen bereit, weil die Sanktionen Wirkung gezeigt haben? Oder haben die Sanktionen vielmehr die iranische Position über Jahre verhärtet? Sollten Sanktionen, die offensichtlich nicht dazu beitragen, einen Staat zu freundlicherem Verhalten zu bewegen, überdacht werden? Oder muss man nur einfach die Dosis erhöhen?

Solche Diskussionen wird es bald auch mit Blick auf die gegen Russland und seine Entscheidungsträger verhängten Sanktionen geben. Die bisherige Erfahrung mit internationalen Sanktionen erlaubt allenfalls die Erstellung einiger grober Faustregeln. Die sieben wichtigsten sind:

  • Erstens: Sanktionen erzielen am ehesten die gewünschte Wirkung, wenn sie mit klar definierten Forderungen nach Verhaltensänderungen verbunden sind, die die Führung eines Landes auch umsetzen kann, ohne ihre eigene Existenz zu gefährden. Genauso wichtig sind klare Aussagen dazu, was nötig ist, um Sanktionen wieder aufzuheben. Dies erlaubt gegebenenfalls auch einen graduellen Abbau, wenn die Gegenseite ihre Politik schrittweise anpasst.
  • Zweitens: Sanktionen, die weitreichende politische Änderungen in einem Staat verlangen, verfehlen meist dieses Ziel. Die Aussicht, dass Strafmaßnahmen nur aufgehoben werden, wenn gleichzeitig die Führungselite abtritt oder ihre Herrschaftsinstrumente aufgibt, gibt den Entscheidern der meist autoritären Systeme keinerlei Anreiz, ihre Politik zu verändern.
  • Drittens: Umfassende Wirtschaftssanktionen haben immer auch unbeabsichtigte Wirkungen. Sie können die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betroffenen Länder um Jahre zurückwerfen, treffen oft die schwächsten Bevölkerungsgruppen und schaffen gleichzeitig Gewinner. Letztere sind in der Regel regimenahe Kreise oder kriminelle Netzwerke, die den Warenschmuggel unter ihre Kontrolle bringen oder sich an die Stelle ausländischer Anbieter und Investoren manövrieren. Die iranischen Revolutionsgarden bieten hierfür ein bezeichnendes Beispiel.
  • Viertens: Handels- und Finanzsanktionen verursachen nicht nur bei den betroffenen Staaten Kosten, sondern auch bei denen, die sie verhängen. Aus deutscher oder europäischer Sicht können sie diesen Preis sehr wohl wert sein, gerade wenn es darum geht, Völkerrechtsverletzungen zu verhindern oder Gefährdungen für Frieden und Sicherheit abzuwenden. Allerdings wird ein Staat, den man mit Sanktionen beleget, in der Regel bereit sein, höhere Kosten zu tragen als die andere Seite: Für dessen politische Eliten geht es immer um zentrale, wenn nicht vitale Interessen, die häufig genug zu Kernthemen nationaler Souveränität stilisiert worden sind. Für Europa geht es dagegen meist nur um eines von vielen wichtigen Themen der internationalen Politik. Sanktionen brauchen schon deshalb den sprichwörtlichen langen Atem.
  • Fünftens: Je größer ein Land ist und je mehr Nachbarn es hat, desto schwieriger wird es, Handelssanktionen durchzusetzen. Keine Sanktionsmauer, erklärte mir einmal ein arabischer Geschäftsmann, ist so hoch, dass Geld sie nicht überwinden kann. Handelssanktionen verhindern also nicht, dass Staaten bestimmte Produkte importieren oder ausführen, verteuern diese aber oder reduzieren den Gewinn.
  • Sechstens: Gezielte oder intelligente Sanktionen, die sich auf bestimmte Personen oder Produkte - insbesondere Rüstungsgüter - beziehen, können politische und wirtschaftliche Eliten wirksam treffen, erzielen allerdings allein und für sich genommen auch keine Politikänderung. Einreiseverbote oder die Blockade von Konten lassen diese Eliten den Preis ihrer Politik direkt spüren. Anders als umfassende Wirtschaftssanktionen treffen solche Maßnahmen nicht auch breite Teile der Bevölkerung. Gerade wenn sie sich auf korrupte hohe Funktionäre beziehen, lassen sie sich auch von den Regierungen nicht zur innenpolitischen Mobilisierung nutzen. Sie dürften am ehesten in Ländern wirken, in denen ein Mindestmaß an öffentlicher politischer Auseinandersetzung auch über die Konfliktgegenstände möglich ist, um die es bei den Sanktionen geht. Der Erfolg solch gezielter Maßnahmen wird zudem davon abhängen, dass die Türen für Studenten, junge Berufstätige und Geschäftsleute aus den betroffenen Ländern offen bleiben und auch politische Gesprächskanäle nicht zugeschüttet werden.
  • Siebtens: Zuletzt gilt, Sanktionen müssen, um erfolgreich zu sein, Teil einer umfassenden diplomatischen Strategie sein. Sie sind weder selbst eine Strategie, noch können sie als Ersatz für diplomatisches Engagement dienen.
© SZ vom 19.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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