Lockerbie-Attentat:Im Namen der Opfer

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Schottische Behörden wollen den inhaftierten Lockerbie-Terroristen begnadigen. Amerikas Politiker sind sich so einig wie selten: Sie setzen sich alle dafür ein, dass der verurteilte Libyer in Haft bleibt.

Christian Wernicke

Plötzlich kennt Amerikas Politik keine Parteien mehr. Und keinerlei Zweifel. Linke wie rechte Senatoren, das US-Justizministerium sowie vorneweg Hillary Clinton, die Außenministerin - sie alle gaben sich empört ob der Gerüchte, die schottische Regionalregierung werde den Lockerbie-Terroristen Abdelbasset Ali al-Megrahi begnadigen und sogar in seine libysche Heimat entlassen. Britische Medien berichteten am Mittwoch von der Absicht der schottischen Behörden, den Libyer auf freien Fuß zu setzen. Eine offizielle Bestätigung gab es nicht.

Griff selbst zum Hörer: Hillary Clinton sagte dem schottischen Justizminister Kenny MacAskill persönlich ihre Meinung. (Foto: Foto: AFP)

Die Weltmacht hatte bereits zuvor protestiert, und sie tat dies mit dem Selbstverständnis, im Namen der Opfer des Attentats zu sprechen. Denn 180 der insgesamt 270 Menschen, die am 21. Dezember 1988 ihr Leben verloren, waren schließlich Amerikaner. Lockerbie, dieser Name stand - bis zum 11. September 2001 - für den schlimmsten Terroranschlag gegen die Nation.

US-Politiker kritisieren die Pläne der schottischen Regierung

Deshalb griff Hillary Clinton vorige Woche persönlich zum Hörer, um Kenny MacAskill, dem Minister für Justiz in Edinburgh, Amerikas Meinung zu sagen. Und das State Department verlor dann auch keine Zeit, aller Welt die Worte der Ministerin zu offenbaren: "Unsere Interesse ist Gerechtigkeit. Und unser Interesse ist die Verpflichtung, die wir eingegangen sind gegenüber den Familien (der Opfer)," teilte P.J. Crowley mit, der Sprecher des Außenministeriums. Seine Dienstherrin sei "sehr energisch" geworden am Telefon und habe von MacAskill verlangt, Megrahi müsse "seine gesamte Strafe in Schottland ableisten für seine Beteiligung am Bombenanschlag auf den Flug PanAm 103." Eine polizeiliche Überstellung nach Libyen, gar eine Begnadigung wegen seines Krebsleidens habe solch ein Kerl nicht verdient. "Er stand vor Gericht, er hatte einen fairen Prozess. Er wurde verurteilt, er sitzt seine Zeit ab", fügte Sprecher Crowley hinzu, "und wir denken, er sollte im Gefängnis bleiben."

Andere werden noch deutlicher. Der parteilose US-Senator Joseph Lieberman hat Libyens Revolutionsführer Gaddafi bereits vor dem geballten Zorn Amerikas gewarnt. "Falls Megrahi freigelassen wird, werden wir eine sehr negative Reaktion des amerikanischen Volkes erleben", erklärte Lieberman. Da lauere "eine Belastungsprobe für die Beziehungen." Lieberman äußerte sich in Tripolis, am Rande eines offiziellen Besuchs einer Handvoll Mitglieder des Senatsausschusses für Außenpolitik. Eigentlich war die Delegation in die Wüste gereist, um den jungen Neuanfang zu festigen. Und sicher auch, um das Klima für künftige Geschäfte mit dem Öl und Gas exportierenden Land zu verbessern.

Gaddafi erkannte indirekt die Schuld seines früheren Agenten an

Nach dem 11. September 2001 hatte Gaddafi eine Kehrtwende vollzogen. Der Diktator stoppte sein geheimes Atomprogramm und schwor aller Förderung des internationalen Terrorismus ab. Und indem Gaddafi Schadensersatz zahlte an die Angehörigen der Lockerbie-Opfer, erkannte er indirekt auch die Schuld seines früheren Agenten Megrahi an.

Ausgerechnet Megrahi kommt Washington und Tripolis nun in die Quere bei ihrem Versuch, das Verhältnis zu verbessern. Das mag erklären, warum sich Amerikas diplomatischer Druck auf Edinburgh konzentriert hat. Die schottische Regierung will an diesem Donnerstag offiziell ihre Entscheidung in dem Fall bekanntgeben.

© SZ vom 20.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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