Linke-Geschäftsführer Dietmar Bartsch:Umstrittener Reformer

Lesezeit: 2 min

Die politische Zukunft von Linke-Geschäftsführer Dietmar Bartsch ist ungewiss. Verzichtet Lafontaine auf den Parteivorsitz, könnte Bartsch aufrücken. Auf die Partei würden dann bewegte Zeiten zukommen.

Susanne Höll

Wäre es nach ihm selbst und ein paar anderen maßgeblichen Ex-Kommunisten gegangen, wäre Dietmar Bartsch zur Jahrtausendwende Vorsitzender der SED-Nachfolgeorganisation geworden, die damals noch PDS hieß. Der damalige Parteichef Lothar Bisky soll ihm die Nachfolge in die Hand versprochen haben. Doch weil sich der inzwischen 51 Jahre alte, in Stralsund geborene, hochgewachsene Mann damals heftig mit anderen nicht unmaßgeblichen Parteikollegen vom orthodoxen Flügel angelegt hatte, rückte nicht er, sondern die Thüringerin Gabriele Zimmer an die Spitze.

Dietmar Bartsch, Geschäftsführer der Linken, Verehrer von Marx und Wehner (Foto: Foto: AP)

Der machtbewusste Bartsch blieb - mit einer kurzen Unterbrechung - in dem Amt, das er seit 1997 innehat: Er ist Bundesgeschäftsführer der Partei, die sich nun "Die Linke" nennt und organisiert Wahlkämpfe, manche mit weniger, andere mit deutlich mehr Erfolg. Die Kampagne der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr wird er noch begleiten. Seine weitere politische Zukunft hängt in der Schwebe, ist abhängig von der Entscheidung eines einzigen Mannes.

Verhältnis Bartsch-Lafontaine zerrüttet

Falls der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine im Mai abermals für den Vorsitz kandidiert, wird er, so versichern Vertraute des Saarländers, nicht länger mit Bartsch in der Führung zusammenarbeiten wollen. Das Verhältnis der beiden ist nachhaltig zerrüttet, eine gedeihliche Zusammenarbeit ist nicht mehr vorstellbar.

Verzichtet Lafontaine aber auf eine neuerliche Bewerbung, braucht die Linkspartei mindestens einen neuen Chef, da der Ko-Vorsitzende Bisky im Mai sein Amt endgültig aufgeben will. Dann wäre Bartsch einer der natürlichen Kandidaten für diesen Posten.

Mit ihm an der Spitze stünden der Partei allerdings mutmaßlich bewegte Zeiten bevor. Denn der in Moskau promovierte Ökonom genießt zwar in Ostdeutschland viel Unterstützung, hat sich aber auch dort Gegner geschaffen. Seit den 90er Jahren warb er für eine Öffnung der Partei, verurteilte als einer der Ersten den Mauerbau, kämpfte gegen den traditionellen Antiamerikanismus in der PDS und für internationale Friedenseinsätze der gesamtdeutschen Bundeswehr.

Feinde in den Landesverbänden

In den neuen, auch für Linken-Verhältnisse politisch ausgesprochen bunt gemischten Landesverbänden hat er sich ebenfalls Feinde gemacht. Die fühlen sich von dem Reformer, der radikalen NRW-Linken auch schon mal via Bild Regierungsfähigkeit abspricht, kujoniert. Dass er von einigen politischen Ideen Lafontaines wenig hält und das entgegen jeder hierarchischen Ordnung auch offen aussprach, nehmen sie ihm besonders übel. Während Lafontaine gegen den rot-roten Koalitionsvertrag in Brandenburg wetterte, hielt - und hält - Bartsch ihn für richtig.

Bei SPD-Bundespolitikern, auch bei deren Vorsitzenden Sigmar Gabriel, ist Bartsch dagegen ein durchaus geschätzter Gesprächspartner. Das liegt auch, aber nicht nur, daran, dass er seit Jahren für rot-rote Bündnisse in Deutschland wirbt, in den Ländern, aber auch im Bund. In seinem Büro hängen neben einer Ehrenurkunde für seine Arbeit als PDS-Schatzmeister die Porträts zweier für die deutsche Linke bedeutsamer Männer: eines von Karl Marx und eines des legendären SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner.

© SZ vom 08.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: