Linke:Gregor Gysi schweigt sich aus

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  • Es wird vermutet, dass Gregor Gysi im Herbst als Fraktionsvorsitzender der Linken aufhört. Konkret äußert sich dieser dazu bislang nicht.
  • In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wird 2016 gewählt: Hier fürchtet die Linke nach einem Rücktritt Gysis Flügelkämpfe und ein schlechtes Abschneiden bei der Wahl.
  • Seitdem Sahra Wagenknecht ausgeschlossen hat, dass sie die Fraktion nicht wie ursprünglich geplant mit Dietmar Bartsch führen wird, ist die Nachfolge von Gregor Gysi ungeklärt.

Von Constanze von Bullion

Wer Gregor Gysi so reden hört in diesen Tagen, kann den Eindruck gewinnen, dass da einer bester Laune ist, geradezu gelöst. Am Mittwoch etwa sitzt der Fraktionschef der Linken beim Pressefrühstück im Bundestag. Normalerweise plaudern hier nur ein paar Journalisten über Tagespolitik. Diesmal aber ist kaum ein Stuhl leer, und fast alle wollen nur eines wissen: Hört Gysi im Herbst als Fraktionsvorsitzender auf? Wird er beim Parteitag der Linken im Juni mit großer Geste den Hut nehmen, wie etliche seiner Unterstützer inzwischen befürchten? Und wenn ja, wer soll den Vormann der Linken eigentlich beerben?

Eine Rückschau, die sich fast wie ein Abschied anhört

Gysi weiß natürlich, was alle wissen wollen, und es gefällt ihm, aber er schimpft ein bisschen über den NSA-Skandal, macht einen Abstecher zum Lokführerstreik, bevor er zum Ende kommt, "ich will, dass Sie Fragen stellen". Es kommen dann Fragen, nur eben keine klaren Antworten. Ob stimme, dass Gysi noch einmal als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf ziehen wolle, um nach der Wahl aufzuhören? Gysis Freunde hätten das erzählt, behauptet ein Journalist. Der Fraktionschef blinzelt amüsiert. Abwarten, sagt er und meint seine Rede beim Parteitag im Juni. Die könnte historisch werden für die Partei, falls Gysi den Abschied ankündigt. Die Presseleute bohren weiter. "Wenn ich Ihnen sage, ich sage dazu nichts, dann sage ich nichts", frotzelt Gysi zurück - um doch weiterzureden.

Was dann kommt, ist eine Rückschau, die sich fast wie ein Abschied anhört. Er freue sich, sagt Gysi, wie viel Akzeptanz seine Partei heute erfahre im Vergleich zu den ersten Jahren im Bundestag, "auch was meine Person angeht". Kein Wort zu Stasi-Vorwürfen, sie scheinen Lichtjahre zurückzuliegen. "Wie Aussätzige" seien PDS-Abgeordnete einst behandelt worden, das habe sich geändert. "Wenn Sie eine Bilanz haben wollen, dann heißt sie, dass ich ein bisschen stolz darauf bin." Das klingt nach Abschluss, bemerkt eine Journalistin. "Das kann man so verstehen", sagt Gysi. Aber er äußere sich dazu nicht.

Gysis Nachfolge im Bundestag ist nicht geregelt

Es äußern sich dafür andere. Gysi, der 67 sei und drei Herzinfarkte hinter sich habe, schwanke, hadere, lasse sich bitten, habe aber eigentlich längst beschlossen aufzuhören, ist aus Parteikreisen zu hören. Die ostdeutschen Landesfürsten der Linken sollen Gysi jetzt angefleht haben weiterzumachen. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wird 2016 gewählt. Wenn Gysi aufhöre und sein Stellvertreter Dietmar Bartsch übernehme - unter eher chaotischen Umständen -, dürften neue Flügelkämpfe im Bundestag ausbrechen und die Chancen bei den Landtagswahlen schwinden, warnten die linken Führungsleute der neuen Länder.

Hauptproblem: Gysis Nachfolge im Bundestag ist nicht geregelt. Seitdem die Parteilinke Sahra Wagenknecht nicht mehr wie geplant mit dem Reformer Dietmar Bartsch die Fraktion führen will, fehlt eine geeignete Partnerin vom linken Flügel für eine Doppelspitze.

Sollte Bartsch dennoch Fraktionschef werden, dürfte er Mühe haben, für stabile Mehrheiten zu sorgen. Aber auch neue Namen sind im Gespräch, etwa die Innenexpertin der Linksfaktion, Martina Renner, eine zupackende Pragmatikerin. Ob sie kandidiert, bleibt ungewiss, solange Gysi schweigt. Es warten jetzt alle in der Linken: auf ein Wort des Vorsitzenden.

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© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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