Liberias Präsidentin:"Als Frau bin ich die bessere Präsidentin"

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Sie ist das einzige weibliche Staatsoberhaupt Afrikas. Am liebsten würde Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf nur mit Ministerinnen regieren.

J. Raupp

Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, 70, ist die einzige Frau an der Spitze eines afrikanischen Staates. Sie würde am liebsten nur mit Ministerinnen regieren und hält die Frauenförderung in Industriestaaten für unterentwickelt. In zehn Jahren, sagt sie, werde das ehemalige Kriegsland Liberia ohne Entwicklungshilfe auskommen.

Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf macht sich für Frauenförderung stark - und hält diese auch in Industriestaaten für unterentwickelt. (Foto: Foto: AFP)

SZ: Vor kurzem haben Sie gesagt, der Westen beharre in der Entwicklungshilfe zu stark auf guter Regierungsführung. Sollen die Geldgeber denn Diktatoren finanzieren?

Ellen Johnson-Sirleaf: So habe ich das nicht gemeint. Ich denke aber, dass in ganz armen Ländern die Menschen erst in die Lage versetzt werden müssen, an der Demokratie teilzuhaben. Sie brauchen dazu Straßen, Schulen, Strom und Wasser. Der Westen pocht aber stark auf demokratische Einrichtungen. Manchmal dauert es zwei, drei Jahre, bis das zugesprochene Geld fließt. Für ein Land, das gerade aus einem Krieg kommt, ist das zu lang. Die Menschen müssen sofort sehen, dass es aufwärts geht, sonst verlieren sie das Vertrauen in die Demokratie.

SZ: Liberia hat für dieses Jahr 500 Millionen Dollar an Hilfe zugesprochen bekommen. Das ist etwa so viel wie das Bruttosozialprodukt des Landes. Wohin fließt das Geld?

Johnson-Sirleaf: Am dringendsten brauchen wir Arbeit für unsere Jugendlichen. Dafür tun wir alles. Wir finanzieren vor allem Bildung, Infrastruktur, aber auch Gesundheit. Wir bauen unsere Wirtschaft wieder auf, pflanzen zum Beispiel Kautschuk, Reis und Kaffee.

SZ: Immer mehr afrikanische Intellektuelle halten Entwicklungshilfe für schädlich, da sie nur abhängig mache. Liberia ist reich an Bodenschätzen. Kann das Land es nicht selbst schaffen?

Johnson-Sirleaf: Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Als ich mein Amt antrat, betrug das Staatsbudget gerade einmal 80 Millionen Dollar. Alles war kaputt nach dem Krieg, die Infrastruktur, die Gesellschaft. Viele gebildete Leute waren geflohen. Ohne fremde Hilfe würden wir den Aufbau nicht schaffen. Es stimmt aber, dass man sehr darauf achten muss, dass das Geld tatsächlich dazu dient, selbständig zu werden. Wir setzen unsere Bodenschätze so ein, dass wir unabhängig werden. Wenn alles gutgeht, ist es in zehn Jahren soweit.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die liberische Präsidentin über Männer denkt.

SZ: Sie fördern Frauen besonders, weil sie überzeugt sind, dass das der Entwicklung Liberias dient. Ist den Männern ihre Heimat denn egal?

Johnson-Sirleaf: Frauen brauchen besondere Förderung. Es gibt bei uns zum Beispiel noch viel häusliche Gewalt, was auch mit dem Krieg zu tun hat. Außerdem neigen Familien dazu, Mädchen als Arbeitskraft einzusetzen, während Jungen die Schule besuchen. Seit wir die Grundschulgebühren abgeschafft und Schulpflicht eingeführt haben, gehen immer mehr Mädchen zur Schule. Natürlich gibt es tüchtige Männer. Aber in der Tendenz sind Frauen fleißiger, zielstrebiger und zuverlässiger. Würde ich genug qualifizierte Frauen finden, hätte ich 21 Ministerinnen statt nur sieben.

SZ: Sind Sie eine bessere Präsidentin als Ihre afrikanischen Kollegen, nur weil Sie eine Frau sind?

Johnson-Sirleaf: Eindeutig ja. Ich glaube, das liegt daran, dass Frauen von Anfang an gewöhnt sind, sich um Haushalt, Kinder und Arbeit zu kümmern.

SZ: Was halten Sie von der Frauenförderung in den Industrieländern?

Johnson-Sirleaf: Sie reicht offensichtlich nicht. Es ist erstaunlich, wie wenig Frauen hohe Positionen begleiten, wo es doch so viele qualifizierte Frauen gibt.

SZ: Liberia versucht gerade, mit einer Wahrheitskommission den Bürgerkrieg aufzuarbeiten. Sie wirft Ihnen vor, den Diktator Charles Taylor zu lange unterstützt zu haben, deshalb sollten sie 2011 nicht mehr als Präsidentin kandidieren.

Johnson-Sirleaf: Ich äußere mich nicht, ob ich kandidiere. Der Kommissions-Bericht wird nun in Bürgerversammlungen diskutiert. Wir werden dann sehen, was das Volk meint. Man muss sehr vorsichtig sein, dass man Gerechtigkeit schafft, ohne neue Konflikte auszulösen.

© SZ vom 27.10.2009/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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