Kreml-Gegner Nawalny:Hoffnung der Opposition, blockiert durch die Justiz

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Er gilt als eine der zentrale Figuren der Oppositionsbewegung und strebt in die Politik. Putin-Kritiker Alexej Nawalny will Bürgermeister von Moskau werden. Doch jetzt steht er wegen Unterschlagung vor Gericht. Ein hartes Urteil könnte der politischen Karriere des Bloggers ein dauerhaftes Ende setzen.

Von Carina Huppertz

Der kremlkritische Blogger Alexej Nawalny soll laut Staatsanwaltschaft für sechs Jahre in Lagerhaft. (Foto: AFP)

Es geht um Holz. Viel Holz. Insgesamt 10.000 Kubikmeter. Und außerdem um viel Geld. Denn Alexej Nawalny soll während seiner Zeit als Berater der regionalen Regierung im russischen Kirow durch vergünstigte Verkäufe von staatlichem Holz etwa 400.000 Euro unterschlagen haben. Der Fall war in diesem Jahr erst zu den Akten gelegt, dann aber wieder neu aufgerollt worden. Jetzt steht Nawalny in der Stadt rund 900 Kilometer nordöstlich von Moskau vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft fordert sechs Jahre Arbeitslager.

Das Verfahren sei ein politischer Prozess, behaupten Nawalny und seine Anhänger. Denn Nawalny hat sich über das Internet einen Namen als Regierungsgegner gemacht. Seit vier Jahren veröffentlicht er Korruptionsvorwürfe gegen russische Politiker und Wirtschaftsbosse auf seiner Webseite. Neben seinem Blog gründete der Rechtsanwalt im Jahr 2011 die Internetseite "RosPil", bei der Bürger Dokumente einreichen können, aus denen Indizien für Korruption hervorgehen. Die Anwälte von RosPil überprüfen die Fälle und reichen Klage ein. Laut eigenen Angaben hat die Organisation so schon die Unterschlagung von mehr als 40 Millionen Rubel (etwa 940.000 Euro) verhindert.

Nach der Duma-Wahl in Russland im Dezember 2011 war Nawalny eine treibende Kraft, die den Protest gegen Wahlfälschungen und gegen Putin aus dem Internet auf die Straße brachte. Mit anderen Oppositionellen organisierte er Demonstrationen in Moskau, zu denen mehr als Hunderttausend Menschen kamen. Es waren die größten Proteste in Russland seit zwanzig Jahren.

Jetzt will Nawalny den Sprung aus den Medien in die Politik schaffen

So hat sich Nawalny vom Internetblogger zu einer der wichtigsten Figuren der russischen Oppositionsbewegung entwickelt. Im Oktober 2012 wählten die Putin-Gegner über das Internet ein Gremium, um ihre Aktionen besser zu koordinieren - Nawalny wurde Vorsitzender. Und als vor einem knappen Monat, am Jahrestag des Amtsantritts von Präsident Putin, wieder rund 10.000 Menschen in Russlands Hauptstadt protestierten und die Freilassung von Regimegegnern forderten, ging Nawalny trotz laufender Anklage auf die Straße. Der Einfluss der Oppositionsbewegung wird außerhalb der großen Städte Moskau und Sankt Petersburg aber als gering eingeschätzt.

Jetzt will Nawalny den Sprung aus den Medien in die Politik schaffen. Vor drei Wochen hat er bekannt gegeben, zu kandidieren, wenn die Moskauer im September ihren Bürgermeister wählen. Sein stärkster Gegner ist Amtsinhaber Sergej Sobjanin, Mitglied der Regierungspartei Einiges Russland.

Das Amt in der Hauptstadt wäre Nawalnys erste offizielle politische Position. Und es kursieren sogar Äußerungen von ihm, nach denen er Ambitionen auf das Präsidentenamt haben soll. Der Prozess in Kirow ist deshalb besonders bedeutsam: Sollte Nawalny verurteilt werden, darf er nicht mehr für ein Staatsamt kandidieren. Seine politische Karriere wäre beendet, bevor sie angefangen hat.

Der Prozess um den Blogger fällt in eine Zeit, in der Russland wegen seines harten Vorgehens gegen Regierungsgegener in die Kritik geraten ist. Seit seinem Amtsantritt hat Putin einige umstrittene Gesetze unterzeichnet. So müssen Nichtregierungsorgansiationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, sich seit vergangenem Jahr als "Auslandsagenten" registrieren. Wer Kontakte mit ausländischen Organisationen hat, dem drohen durch ein Hochverratsgesetz Gefängnisstrafen.

Nawalny will sich von einem hohen Strafmaß nicht abschrecken lassen. Laut der russischen Nachrichtenseite lenta.ru sagte er in seinem Abschlussplädoyer: "Wenn jemand denkt, er könnte uns durch diesen Prozess von unseren Tätigkeiten abhalten, dann irrt er sich. Ich und meine Kollegen werden alles tun, um diese feudale Staatsform, die in Russland aufgebaut wird, zu vernichten." Das Urteil soll am 18. Juli verkündet werden.

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